Wolfgang Luber ist ein Urgestein der Hörakustik: Seit mehr als 40 Jahren ist er in der Branche tätig, seit 2001 als Geschäftsführer des Erfolgsunternehmens Hörgeräte Seifert – nun übergab er sein Amt vollends an Martin Schulz, der seinen Karriereweg vor über 30 Jahren als Seifert-Azubi begann und im Jahr 2020 mit in die Geschäftsführung einstieg. Kontinuität und langfristige Planung sind Teil des Erfolgsrezepts des heute 90 Filialen starken Unternehmens. Und genauso möchte man auch zukünftigen Herausforderungen begegnen. Wir haben Wolfgang Luber und Martin Schulz in der Seifert-Zentrale in Planegg bei München getroffen.
Das Erfolgsrezept von Hörgeräte Seifert: Kontinuität und langfristige Planung
Als Wolfgang Luber 2001 die Geschäftsführung übernahm zählte Hörgeräte Seifert 35 Fachbetriebe – und es gab viel zu tun: „Die Digitalisierung der Hörgerätebranche war im Gange“, erinnert er sich. „Wir mussten alle Fachbetriebe neugestalten, entsprechend ausstatten. Außerdem musste die Firmenphilosophie neudefiniert werden.“ Damals nahm ein Leitbild seinen Anfang, das Luber bis heute am Herzen liegt: „Der Fokus auf das menschliche Miteinander.“
So mühsam der Prozess auch war, er trug Früchte: Heute zählt Hörgeräte Seifert mit seinen mehr als 90 Fachbetrieben und etwa 450 Mitarbeitern zu den goßen Hörakustik-Unternehmen Deutschlands. Pro Jahr wuchs das Unternehmen durchschnittlich um zwei bis drei Filialen – stets so, dass das Qualitätsniveau gehalten werden konnte. „Eine Filiale aus reinem Selbstzweck zu eröffnen, macht keinen Sinn“, weiß Luber. „Alles steht und fällt mit den Mitarbeitern: Wenn man einen fähigen Mitarbeiter hat, kann man überall einen erfolgreichen Laden aufmachen – wenn man ihn nicht hat, wird das nichts.“
Kontinuität und langfristige Planung lautet auch hier die Devise. „Wer zu schnell expandiert, kann die Qualität nicht sicherstellen“, sagt Wolfgang Luber. Er erinnert sich an gewisse Grenzgrößen, die Handlungsmaßnahmen erforderten, um das Fortbestehen des Unternehmens zu gewährleisten: „Ab 50 mussten wir die Filialen plötzlich neu organisieren. Ab 70 Fachbetrieben mussten wir ein neues Führungsteam aufstellen. Und jetzt, bei 90 Fachbetrieben, sind wir an einer neuen Grenze angelangt.“
Hörgeräte Seifert-Geschäftsführer Martin Schulz
Für diese Aufgabe ist künftig jedoch nicht mehr Wolfgang Luber zuständig. Nach knapp 25 Jahren als Seifert-Geschäftsführer bei Hörgeräte Seifert verabschiedete er sich kürzlich in den Ruhestand. Seinen Posten – und damit auch die Verantwortung, das Unternehmen fit für die Zukunft zu machen – übergab er Martin Schulz, der das Unternehmen in- und auswendig kennt:
Vor über 30 Jahren absolvierte er seine Ausbildung als Hörakustiker bei Hörgeräte Seifert. Nach dem Gesellen folgte der Meister, anschließend bildete er sich parallel zum Betriebsinformatiker und Netzwerktechniker weiter. Schulz schrieb die erste Firmensoftware, welche Kunden- und Stammdaten verwalten und Angebote erstellen konnte. 2015 übernahm er die Regionalleitung vom Standort Karlsruhe aus, bildete sich dann zum Betriebswirt (HwO) fort, bis er 2020 schließlich mit in die Geschäftsführung einstieg. Kurzum: Martin Schulz kennt, lebt und liebt das Unternehmen und seine Philosophie. Den bisherigen Erfolgskurs möchte er weiterfahren: „Unser Ziel ist es schließlich, auch über die nächsten Jahrzehnte auf einem konstant hohen Level zu arbeiten.“
„Wenn jeder an einem Strang zieht, ist das wertvoller als fünf Filialen mehr.“
Auf weiterer Expansion liegt daher aktuell nicht der Fokus. Erst einmal müssen andere Aufgaben gemeistert werden. „Bei so vielen Fachbetrieben wird es immer schwieriger, die Firmenphilosophie auf breiter Ebene zu leben“, gibt Schulz ein Beispiel. „Dieses Miteinandergefühl, dieses Gefühl, an einem Strang zu ziehen.“ Es sei deshalb auch notwendig gewesen, das Führungsteam umzugestalten, erklärt Schulz.
„Früher gab es die zwei Regionalleiter, einen für Nord-, einen für Südbayern. Mittlerweile haben wir die Fachbetriebe auf mehrere Bereichsleiter aufgeteilt, die jeweils etwa 50 Mitarbeiter beschäftigen. Jeder Bereich beinhaltet etwa 12 Fachbetriebe – da kann man gut agieren und Kontakte pflegen.“ Wolfgang Luber ergänzt: „Wenn man es erreicht, dass die Philosophie in jedem Fachbetrieb umgesetzt wird, jeder an einem Strang zieht, mit den gleichen Werten, dann ist das viel wertvoller als fünf Filialen mehr.“
Künstliche Intelligenz als zusätzlicher Kollege
Die Firmenphilosophie bis in die kleinste Verästelung aufrechtzuhalten ist aber nur ein Punkt auf Martin Schulz‘ Agenda. „Jeder redet über KI“, spricht Schulz ein weiteres essenzielles Zukunftsthema an. „Verwaltung, Digitalisierung, Teleaudiometrie, Telemedizin, das sind Herausforderungen der Zukunft, bei denen KI eine wichtige Rolle übernehmen wird.“ „Die Nachfrage wird schließlich mehr, aber das Personal weniger“, fügt Luber hinzu.
Den ersten Schritt sieht Martin Schulz in der Verschlankung von Prozessen durch KI: „Das passiert ja jetzt schon.“ Und das sei auch wichtig, denn wenn KI Verwaltungsaufgaben oder den Kontakt zur Krankenkasse übernähme, bliebe mehr Zeit für den Menschen. „Man muss KI als Partner begreifen, als zusätzlichen Kollegen, der Arbeit abnimmt, nicht als Ersatz“, so Schulz.
„Je digitaler der Mensch wird, desto mehr wird er Menschlichkeit zu schätzen wissen“
„Die Industrie sieht das ein bisschen anders“, hakt Wolfgang Luber ein. „Man hat oft den Eindruck, die Industrie würde am liebsten den Menschen ersetzen. Aber das wird in der Praxis nicht funktionieren: Der hilfsbedürftige Mensch in den Läden bleibt schließlich der gleiche. Allein beim Thema Hörentwöhnung – da sollen Menschen ein Hörgerät per Post bekommen und dann selbst damit zurechtkommen? Das ist ja ein Prozess und da brauchen die Leute Beistand“, findet Wolfgang Luber.
„Aktuell sind wir ohnehin noch weit davon entfernt, dass unsere Endkunden völlig selbstverständlich mit ihren Smartphones umgehen“, fügt Martin Schulz hinzu. „Sicher benötigen wir in Zukunft Technologien wie Teleaudiologie, diese werden sich durch KI auch stark verändern – aber bis diese Möglichkeiten beim Problem Fachkräftemangel einen Unterschied machen, dauert es bestimmt noch fünf bis zehn Jahre. Und selbst dann werden Technologien wie Teleaudiologie nicht die zentrale Lösung sein: Corona hat gezeigt, dass die Menschen solche Angebote nicht so annehmen wie erwartet. Im Mittelpunkt bleibt der Mensch – und damit der Mitarbeiter.“ Schulz ist ohnehin überzeugt: „Je digitaler der Mensch wird, desto mehr wird er Menschlichkeit zu schätzen wissen.“
Die Lösung für den Fachkräftemangel in der Hörakustik
Zunächst bleibt die Antwort auf den Fachkräftemangel laut Luber und Schulz also weiterhin ganz klassisch: Ausbildung. „Personal entscheidet über den Erfolg. Wer jetzt nicht ausbildet, wird in fünf bis zehn Jahren in die Röhre schauen“, prophezeit Martin Schulz. Mit aktuell über 80 Menschen in Ausbildung bei etwa 450 Mitarbeitern ist Hörgeräte Seifert gut aufgestellt. „Aber Auszubildene kommen nicht von allein“, so Schulz. „Wir sind auf Azubimessen unterwegs, in Schulen, werben in öffentlichen Bereichen – und das nicht nur im März, sondern 12 Monate im Jahr.“ „Dafür greifen wir manchmal auch zu unkonventionellen Mitteln“, schildert Luber. „Wir haben einmal etliche Bewerbungen erhalten, weil wir auf einer Messe ein Kickerturnier veranstaltet haben.“
Der Kurs ist also klar. Auch unter Martin Schulz setzt Hörgeräte Seifert auf seine wichtigsten Werte: Kontinuität, langfristige Planung und Menschlichkeit. „Deshalb mache ich das gerne“, so Schulz. „Das ist auch meine eigene Überzeugung. Schnell irgendwas zu tun ist einfach. Aber über die Jahrzehnte kontinuierlich denselben Weg zu gehen ist eine Herausforderung.“ Und Wolfgang Luber wird ihm dabei trotz Ruhestand weiterhin beratend zur Seite stehen.
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