Die Frage, wie Hörgeräteanbieter ihre Produkte bewerben dürfen, beschäftigt derzeit den Bundesgerichtshof (BGH) – und damit auch die gesamte Hörakustikbranche. Am Donnerstag, den 6. Juni 2024, fand in Karlsruhe eine bedeutende Verhandlung im Rechtsstreit zwischen der Wettbewerbszentrale und dem Hörgeräteanbieter Amplifon statt (Az. I ZR 43/24). Im Fokus steht die umstrittene Werbepraxis mit Payback-Punkten, die für Hörgerätekäufe vergeben werden.

Die Ausgangslage: Payback-Punkte als Anreiz
Amplifon wirbt damit, pro Euro Umsatz einen Payback-Punkt im Wert von einem Cent zu gewähren. Bei Hörgeräten, deren Preise von günstigen Modellen um 700 Euro bis hin zu hochpreisigen Varianten um 4.500 Euro reichen können, kann sich so eine beachtliche Menge an Punkten ansammeln. Diese Punkte lassen sich gegen Sachprämien oder Einkaufsgutscheine eintauschen – oder sogar spenden.
Die Wettbewerbszentrale sieht darin jedoch einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG), das die Werbung für Medizinprodukte wie Hörgeräte streng reglementiert. Sie argumentiert, dass die Vergabe von Payback-Punkten eine unzulässige Beeinflussung der Verbraucher darstellt und somit unlauter sei.
Payback-Punkte für Hörgeräte: Vorinstanzen verkünden zwiespältige Urteile
Das Landgericht Hamburg hatte die Klage zunächst abgewiesen, doch das Oberlandesgericht Hamburg entschied im Februar 2024 zugunsten der Wettbewerbszentrale und legte eine klare Grenze fest: Werbung mit Payback-Punkten sei nur zulässig, wenn der Wert der gutgeschriebenen Punkte eine Höchstgrenze von fünf Euro nicht überschreitet – dann handele es sich um eine geringwertige Kleinigkeit, die erlaubt sei.
Der BGH hingegen hatte bislang eine deutlich strengere Grenze von einem Euro gezogen – allerdings in einem anderen Rechtsgebiet, nämlich bei Arzneimitteln. Beide Parteien legten gegen das Urteil Revision ein, sodass der BGH nun die grundsätzliche Frage zu klären hat.
Argumente vor dem BGH: Verbraucher- und Wettbewerbsinteressen im Konflikt
Der Anwalt der Wettbewerbszentrale argumentierte vor dem BGH, dass Payback-Kunden durch die Punktevergabe gezielt dazu verleitet würden, ihre Kaufentscheidung am Punktesammeln auszurichten – und nicht allein an medizinischen oder audiologischen Kriterien. Dies stelle eine unsachliche Verbraucherbeeinflussung dar, die vom HWG ausdrücklich verboten sei.
Demgegenüber führte der Anwalt von Amplifon aus, dass die Entscheidung für ein bestimmtes Hörgerät maßgeblich von der individuellen Hörstörung und den finanziellen Möglichkeiten abhänge – nicht von der Aussicht auf Payback-Punkte.
Bedeutung für die Branche und unabhängige Akustiker
Das Urteil hat branchenweit eine hohe Relevanz. Denn unabhängig von der Entscheidung in diesem Fall gilt: Hörakustiker dürfen nach aktuellem Stand im Rahmen ihrer Werbemaßnahmen nur geringwertige Werbegeschenke überreichen – typischerweise Werbemittel wie Stifte oder Taschen, deren Wert meist unter fünf Euro liegt. Höhere geldwerte Vorteile sind nach dem Heilmittelwerbegesetz tabu.
Die Werbemaßnahmen großer Ketten wie Amplifon oder Geers – die bereits ähnliche Payback-Aktionen gestartet hatten – stehen damit auf dem Prüfstand. Sollte der BGH die Vergabe von Payback-Punkten als rechtswidrig einstufen, wirkt sich das bindend auch auf andere Anbieter aus. Für viele unabhängige Hörakustiker, die eine sachliche und fachlich fundierte Beratung ohne Beeinflussung durch aggressive Marketingmaßnahmen anstreben, wäre dies ein lang erwartetes Signal.
Ein richtungsweisendes Urteil
Die Verhandlung am BGH zeigt, wie sensibel das Thema Werbung im Gesundheitsbereich behandelt wird – besonders bei Produkten wie Hörgeräten, die medizinisch notwendig und gleichzeitig hochpreisig sind. Die Balance zwischen wirksamer Kundenansprache und fairer, gesetzeskonformer Kommunikation ist schwer zu halten.
Hörakustiker sollten die Entscheidung des BGH aufmerksam verfolgen, denn sie wird unmittelbar Einfluss auf Werbemaßnahmen, Kundenkommunikation und letztlich auch auf den Wettbewerb im Markt haben. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob der BGH die bisherige Grenze von fünf Euro bestätigt, verschärft oder ganz neue Maßstäbe setzt.
Bleiben Sie auf dem Laufenden!
Unser Newsletter versorgt Sie alle zwei Wochen mit den relevanten News aus der Branche.