Mit jeder neuen Generation seiner AirPods wird das, was einst ein simpler Bluetooth-Kopfhörer war, ein Stück weit smarter. Die vor ein paar Monaten erschienenen AirPods Pro 3 gehen sogar noch einen Schritt weiter – sie kommen mit Hörtest, Geräuschverstärkung und personalisierten Klangprofilen: ein Gerät also, das Musik streamt, Lärm unterdrückt und Hörverlust kompensiert – für rund 250 Euro. Wir haben uns das genauer angesehen.

Apple AirPods Pro: Zwischen Lifestyle und Hörhilfe
Technisch betrachtet sind AirPods noch lange keine Hörgeräte, sondern allemal hochwertige In-Ear-Kopfhörer. Sie verbinden sich per Bluetooth mit dem iPhone und können – dank sensibler Mikrofone und cleverer Software – Umgebungsgeräusche verstärken oder filtern. Seit die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA 2024 die Hörhilfefunktion offiziell freigegeben hat, dürfen die AirPods Pro 2 und 3 in den USA sogar als sogenannte Over-the-Counter-Hörhilfen für Menschen mit leichtem bis mittlerem Hörverlust beworben werden.
Damit trat Apple in einen Markt, der bislang audiologischen Fachkräften vorbehalten war – allerdings mit einem klaren Fokus: Es geht nicht um eine medizinische Versorgung, sondern um Zugänglichkeit. Der Gedanke: Wer seine AirPods ohnehin besitzt, kann mithilfe des iPhones einen Hörtest durchführen, das Ergebnis in den Kopfhörer übertragen und sofort ausprobieren, ob er besser versteht.
Das ist charmant, weil es Menschen abholt, die bislang den Gang zur Hörakustikerin gescheut haben. Und tatsächlich berichten viele Nutzer, dass sie mit den AirPods beim Fernsehen oder bei Videocalls besser verstehen.
AirPods Pro 3 können ein einfacher Einstieg sein – aber kein Ersatz
Für Menschen mit einem leichten Hörverlust können die AirPods Pro durchaus eine hörbare Verbesserung bringen. Die Klangqualität ist hoch, die Verstärkung lässt sich individuell anpassen, und die Bedienung über das iPhone ist – zumindest für geübte Apple-Nutzer – intuitiv. Dazu kommt der psychologische Vorteil: AirPods gelten als stylisch und unauffällig, niemand fühlt sich „alt“ oder „krank“, wenn er sie trägt.
Auch preislich sind sie attraktiv. Für den Gegenwert von 250 Euro bekommt man ein Gerät, das zumindest im Ansatz ähnliche Dinge kann wie ein Hörsystem – während eine professionelle Versorgung, selbst mit Kassenzuschuss, meist deutlich teurer ausfällt.
Aber: Wer ernsthaft auf Hörunterstützung angewiesen ist, wird schnell an Grenzen stoßen – daran ändert auch das neueste Modell AirPods Pro 3 nichts. Die Batterielaufzeit liegt selbst bei ihnen nur bei rund zehn Stunden, während moderne Hörsysteme oft 24 bis 48 Stunden erreichen. Auch die Verstärkungsleistung reicht nur für leichte bis moderate Verluste – ab etwa 50 dB Hörverlust ist Schluss.
Vor allem fehlt es aber an Feinanpassung. Wo Hörakustikerinnen präzise auf individuelle Hörkurven, Raumakustik und Sprachverstehen eingehen, bieten die AirPods nur eine grobe Klangkorrektur. Kein Rückkopplungsmanagement, keine Mehrmikrofontechnik für Richtungshören, keine situative Automatik. In lauten Umgebungen wie Restaurants oder in der Stadt zeigen sich die Grenzen schnell.
Mögliches Risiko: Fehlende Diagnosen durch AirPods
Ein weiterer Knackpunkt: Die AirPods können keine medizinischen Ursachen von Hörminderungen erkennen. Wer sich allein auf den integrierten Hörtest verlässt, übersieht womöglich banale, aber relevante Ursachen – etwa Ohrenschmalzpfropfen, Mittelohrentzündungen oder asymmetrische Verluste, die abgeklärt gehören.
Die vermeintlich bequeme Lösung kann also dazu führen, dass Betroffene zu spät professionelle Hilfe suchen. Genau hier liegt eine Aufgabe für Hörakustikerinnen und Hörakustiker: Aufklärung statt Abwehrhaltung.
Chancen für die Hörakustik
Auch wenn AirPods keine Konkurrenz im engeren Sinne sind, verändern sie das Bewusstsein für Hörtechnologie. Viele Menschen, die mit den Apple-Stöpseln erste positive Erfahrungen machen, landen anschließend doch in der Hörakustik-Praxis – diesmal mit konkreterem Interesse und klarerer Erwartungshaltung.
Für Fachbetriebe liegt darin eine Chance. Wer Kundinnen und Kunden sachlich erklären kann, wo die AirPods ihre Grenzen haben und warum eine professionelle Anpassung mehr leistet, stärkt nicht nur die eigene Kompetenz, sondern auch das Vertrauen in die Branche. Ein informierter Kunde, der sich bewusst für ein Hörsystem entscheidet, ist am Ende der bessere Kunde.






