Home | Extra | Neuer Ansatz der Gentherapie bei erblich bedingtem Hörverlust
Extra

Neuer Ansatz der Gentherapie bei erblich bedingtem Hörverlust

Erblich bedingter Hörverlust zählt zu den häufigsten angeborenen Sinnesstörungen und betrifft etwa 1 bis 2 von 1.000 Neugeborenen. Neuere gentherapeutische Entwicklungen zielen darauf ab, defekte Gene gezielt zu reparieren oder zu ersetzen, um das natürliche Hörvermögen wiederherzustellen oder zu verbessern. Aktuelle Forschungen aus Israel und weiteren internationalen Zentren liefern neue Erkenntnisse und Therapieansätze.

Neuer Ansatz der Gentherapie bei erblich bedingtem Hörverlust
Bildquelle: Tel Aviv University

Genetische Ursachen des erblichen Hörverlusts

Über 140 Gene sind derzeit bekannt, deren Mutationen eine Rolle bei angeborenem Hörverlust spielen können. Ein zentrales Beispiel ist das Otoferlin-Gen (OTOF). Mutationen in diesem Gen verhindern die Bildung des Otoferlin-Proteins, das für die Weiterleitung von Schallinformationen von den Haarzellen im Innenohr zum Hörnerv notwendig ist. Fehlt das Protein, kann die Cochlea zwar Schall erfassen, die Informationen werden jedoch nicht an das Gehirn weitergeleitet, was zu Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit führt.


Methoden der Gentherapie bei Hörverlust

Die neue Gentherapie nutzt virale Vektoren als sogenannte “Gen-Taxis”, um eine gesunde Kopie des defekten Gens direkt in die Haarzellen der Cochlea zu transportieren. Bei der Dual-AAV-Strategie werden zwei Vektoren eingesetzt, deren DNA sich im Zellkern zu einer funktionstüchtigen Genkopie zusammenfügt, sodass die Zellen wieder Otoferlin produzieren können. Ergänzend zeigen israelische Forschungen, dass self-complementary AAV-Vektoren eine schnellere und effektivere Genexpression ermöglichen, was den Schutz der Haarzellen verbessert und irreversible Hörschäden verhindert. Die Therapie wird derzeit in internationalen Studien, darunter die CHORD-Studie, bei Kindern mit OTOF-bedingter Schwerhörigkeit getestet.

Aktuelle Studienlage und erste Behandlungsergebnisse

Seit März 2023 werden klinische Studien mit der Gentherapie an Kindern zwischen null und 17 Jahren in Deutschland, England, Spanien und den USA durchgeführt. Erste Ergebnisse zeigen bei den meisten Behandelten eine verbesserte Hörfähigkeit. Ein Fallbericht beschreibt ein 10 Monate altes Kind, das sechs Wochen nach der Therapie eine deutliche Wahrnehmung von Geräuschen zeigte und nach 24 Wochen bereits auf leise Töne und Sprache reagierte. Diese Ergebnisse verdeutlichen das Potenzial der Gentherapie, Hörverlust ursächlich zu behandeln, wobei die Therapie von den etablierten Hörhilfsmitteln wie Hörgeräten und Cochlea-Implantaten ergänzt werden kann.

Die Gentherapie eröffnet neue Ansätze zur Behandlung erblich bedingten Hörverlusts, indem sie die natürliche Hörfunktion auf molekularer Ebene wiederherstellt. Obwohl erste Studien vielversprechend sind, befindet sich die Therapie noch im klinischen Prüfstadium und ist behördlich nicht zugelassen. Langfristig könnte sie die Behandlungsmöglichkeiten über die rein symptomatische Versorgung hinaus erweitern.