Die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) hat Ende 2024 ein neues Zentrum für Seltene Hörstörungen eröffnet. Eingebettet in das Zentrum für Seltene Erkrankungen Göttingen (ZSEG), bündelt das neue Spezialzentrum die Kompetenzen führender Wissenschaftler und Ärzte, um Betroffenen mit seltenen Formen des Hörverlusts eine präzise Diagnose und innovative Behandlungsansätze zu bieten.

Ein interdisziplinärer Ansatz für seltene Hörstörungen
Im Zentrum für Seltene Hörstörungen arbeiten Fachleute der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, der Humangenetik sowie der auditorischen Neurowissenschaften eng zusammen. Diese Kooperation ermöglicht eine umfassende Betrachtung und Bearbeitung der komplexen Herausforderungen, die seltene Hörstörungen mit sich bringen.
Neben der klinischen Versorgung wird ein Schwerpunkt auf die Erforschung genetischer Ursachen gelegt, die eine zentrale Rolle bei vielen dieser Erkrankungen spielen. Bereits heute sind über 150 Gene bekannt, die mit Hörverlust assoziiert sind. Zahlreiche weitere genetische Erkrankungen, bei denen auch andere Organsysteme betroffen sind, umfassen Hörstörungen als Symptom. Jede dieser genetischen Formen stellt eine eigene seltene Erkrankung dar, was die Komplexität und die Herausforderungen in der Diagnostik verdeutlicht.
Brücke zwischen Forschung und Patientenversorgung
Ein besonderes Angebot ist die neue Audiogenetik-Sprechstunde, die gemeinsam von der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und dem Institut für Humangenetik bereitgestellt wird. Diese Sprechstunde vereint diagnostische Expertise mit genetischer Beratung und eröffnet Patienten die Möglichkeit, an aktuellen Forschungsprojekten teilzunehmen. Ziel ist es, bisher unbekannte Gene zu identifizieren, die zur Entstehung von Schwerhörigkeit beitragen.
Der wissenschaftliche Fortschritt, der sich aus diesen Forschungen ergibt, hat das Potenzial, die Behandlungsmöglichkeiten nachhaltig zu verändern. Die Zusammenarbeit mit dem Institut für Auditorische Neurowissenschaften stärkt dabei die wissenschaftliche Grundlage, indem neurowissenschaftliche Mechanismen der Hörwahrnehmung und -störung entschlüsselt werden. Die enge Verzahnung von Grundlagenforschung und klinischer Anwendung ist ein Markenzeichen des Göttinger Campus und wird durch das neue Zentrum konsequent weiterentwickelt.
Diagnostik und Therapie seltener Hörstörungen
Die renommierte HNO-Klinik der UMG bietet das gesamte Spektrum moderner audiologischer Untersuchungen und Behandlungen. Neben der Versorgung mit Hörgeräten und Cochlea-Implantaten steht auch die chirurgische Therapie im Fokus. Durch die Integration genetischer Diagnostik in die klinische Routine können Patienten mit seltenen Hörstörungen eine präzise und individualisierte Behandlung erhalten. Diese Verzahnung ist wertvoll, da sie Betroffenen eine Perspektive bietet, die in anderen Einrichtungen oft fehlt.
„Seltene Hörstörungen erfordern eine fachübergreifende Expertise“, betont Prof. Dirk Beutner, Direktor der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Mitglied der Zentrumsleitung. Diese Expertise wird im neuen Zentrum gebündelt, um den Betroffenen nicht nur medizinisch, sondern auch auf emotionaler und sozialer Ebene Unterstützung zu bieten. Denn seltene Erkrankungen lassen Patienten und ihre Familien oft isoliert und ohne klare Perspektive zurück.
Seltene Erkrankungen: Eine Herausforderung für die Medizin
Während Hörverlust als Symptom weit verbreitet ist, zeigt sich bei seltenen Formen eine immense Vielfalt an molekularen Ursachen. Diese Diversität stellt eine besondere Herausforderung für die Forschung und Diagnostik dar. Das Göttinger Zentrum für Seltene Hörstörungen schließt eine Versorgungslücke, indem es nicht nur die Patienten direkt unterstützt, sondern auch die wissenschaftliche Grundlage für neue Therapieansätze legt.