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Positive Hörerfahrungen fördern Sprachverständnis: Neue Studie zeigt vielversprechende Ansätze

Eine neue Perspektive in der Hörakustik: Die Effektivität von Hörgeräten hängt nicht nur von der Technologie ab. Unzählig viele Faktoren können während der Anpassung eine Rolle spielen: Zwischenmenschliches, das eigene Bedürfnis, der persönliche Wille und vieles mehr. Eine neue Studie von Lelic et al. (2024) hebt die Rolle positiver psychologischer Ansätze hervor. Sie zeigt, dass ein bewusster Fokus auf positive Hörerfahrungen die Sprachverständlichkeit in geräuschvollen Umgebungen sowie die allgemeine Zufriedenheit mit Hörgeräten signifikant steigern kann. Die Anwendung solcher Strategien in die Anpassungspraxis könnte die Hörgeräteversorgung spannende Impulse liefern und Mehrwerte schaffen, vor allem um die Identifikation der Kunden mit den Hörgeräten und damit die Zufriedenheit weiter erhöhen.

Neue Ansätze in der Hörakustik

Hörgeräte-Träger berichten häufig von Herausforderungen in geräuschvollen Umgebungen, die zu Unzufriedenheit führen können – für erfahrene und unerfahrene Kunden gleichermaßen. Jedes zusätzliche SNR-dB verspricht Besserung. Der Fokus liegt bei den Herstellern vor allem auf technischen Optimierungen der Sprachverständlichkeit. Die Studie verfolgt einen neuen Ansatz, indem sie die Bedeutung der Wahrnehmung und Reflexion positiver Erlebnisse untersucht. Ziel ist es, negative Verzerrungen in der Wahrnehmung – die sogenannte Negativity Bias – zu überwinden und Hörgeräteträgern eine effektivere Nutzung zu ermöglichen.

Dina Lelic, Wissenschaftliche Leiterin bei WS Audiology, und das Autorenteam zeigen in ihrem Paper auf, dass die Fokussierung auf positive Hörerlebnisse nach der Hörgeräteanpassung von Bedeutung ist und es wichtig ist, dass Hörgeräteträger aufgefordert werden sollten, diese guten Erfahrungen mit ihren Geräten zu reflektieren. Dies kann sich nicht nur positiv auf den erlebten Nutzen und die Zufriedenheit auswirken, sondern auch auf das Nutzerverhalten in Bezug auf die gemessene Sprachverständlichkeit.

In der Hörakustik wird diese Vorgehensweise durchaus bereits angewendet – aus Erfahrung und als Resultat persönlichen Einfühlungsvermögens. Kunden, die mit positiven Geräuschen während der Anpassung konfrontiert werden, erleben die Anpassung insgesamt bejahender und affirmativer. Zur Anwendung kommt hierbei häufig Musik, zum Beispiel Lieblingssongs, die schöne Erinnerungen hervorrufen, oder aber auch Erlebnisse in der Natur.

Methodik: Positive Hörerfahrungen im Alltag

Die Studie wurde mit 30 erfahrenen Hörgeräteträgern durchgeführt, die in eine Kontroll- und eine Interventionsgruppe unterteilt wurden. Beide Gruppen erhielten Hörgeräte, die auf die individuellen Bedürfnisse angepasst waren, und trugen diese für zwei Wochen im Alltag. Die Interventionsgruppe wurde gebeten, täglich positive Hörerlebnisse bewusst wahrzunehmen und in Textnachrichten zu dokumentieren. Beispiele reichten von der klaren Wahrnehmung von Vogelgesang, Wassergeräusch bis hin zur besseren Verständigung in Meetings.

Ergebnisse: Objektive und subjektive Verbesserungen

Nach der zweiwöchigen Testphase zeigten sich signifikante Unterschiede:

  1. Sprachverständlichkeit: Die Interventionsgruppe erzielte deutlich bessere Ergebnisse in Sprachtests unter geräuschvollen Bedingungen, verglichen mit der Kontrollgruppe.
  2. Subjektive Wahrnehmung: In Fragebögen bewerteten Teilnehmer der Interventionsgruppe ihre Hörgeräte in Bereichen wie Klangqualität und Alltagstauglichkeit positiver.
  3. Erhöhte Zufriedenheit: Teilnehmer berichteten von einer gesteigerten Akzeptanz ihrer Hörgeräte und einer insgesamt besseren Erfahrung im Umgang mit geräuschvollen Umgebungen.

Praktische Anwendungen für Hörakustiker

Diese Studie hat den Einfluss der bewussten Reflektion positiver Geräusche genauer untersucht und bietet wertvolle Impulse für die Anpassungspraxis.

  • Beratungsgespräche: Hörakustiker können Kunden motivieren, positive Erfahrungen aktiv zu reflektieren und zu teilen. Dies könnte in Form eines Tagebuchs oder einer App erfolgen.
  • Anpassungsprozesse: Während der Hörgeräteanpassung könnte der Fokus verstärkt auf positiven Rückmeldungen liegen, um die Kundenzufriedenheit zu erhöhen.
  • Langfristige Betreuung: Regelmäßige Nachbesprechungen über positive Hörerlebnisse könnten die Nutzung von Hörgeräten weiter verbessern und die Kundenbindung stärken.

Psychologische Hintergründe

Die Ergebnisse stützen sich auf Erkenntnisse der positiven Psychologie, die zeigen, dass das bewusste Wahrnehmen und Teilen positiver Erlebnisse das emotionale Wohlbefinden und die kognitive Leistung steigert. In der Hörakustik könnte dies bedeuten, dass positive Erlebnisse die Aufmerksamkeit auf den Nutzen von Hörgeräten lenken und negative Wahrnehmungen minimieren.

Potenzial für eine neue Hörakustik-Strategie

Die Studie von Lelic et al. zeigt, dass ein Fokus auf positive Hörerlebnisse nicht nur die Sprachverständlichkeit, sondern auch die Akzeptanz von Hörgeräten deutlich steigern kann. Hörakustiker und Audiologen haben hier eine Chance, durch innovative Ansätze die Zufriedenheit ihrer Kunden nachhaltig zu erhöhen. Dieser psychosoziale Ansatz könnte sich als nutzbringend für die Anpassungspraxis erweisen, denn Achtsamkeit und positive Lebenseinstellungen sind durchaus wichtige Aspekte für eine höhere Zufriedenheit – und das nicht nur mit Hörgeräten.

Quelle: Focusing on Positive Listening Experiences Improves Speech Intelligibility in Experienced Hearing Aid Users
Dina Lelic , Line Louise Aaberg Nielsen, Anja Kofoed Pedersen and Tobias Neher
DOI: 10.1177/23312165241246616

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