Um die Bedeutung eines lebendiges Gespräches für den Alltag und das Wohlbefinden muss sicher nicht diskutiert werden. Für unsere Branche relevant: Wann beurteilen wir ein Gespräche als angenehm und inwiefern unterstützen Hörsysteme beim Verstehen wirklich? Zwei recht aktuelle Forschungsarbeiten beleuchten aufschlussreiche Aspekte dieses Themas und zeigen, wie Hörgeräte und Umgebungsgeräusche die Dynamik und den subjektiv empfundenen Erfolg des Verstehens in Gesprächen maßgeblich beeinflussen.

Der Erfolg von Gesprächen in Einzel- und Gruppensituationen
Die erste Studie, “Conversation success in one-to-one and group conversation: a group concept mapping study of adults with normal and impaired hearing” von Nicoras et al. (2022), untersuchte, was einen erfolgreichen Gesprächsaustausch ausmacht. Mittels einer Group Concept Mapping Methode befragten Raluca Nicoras und ihre Kollegen Erwachsene mit normalem und eingeschränktem Hörvermögen.
Ein zentrales Ergebnis war, dass Gesprächserfolg ein vielschichtiges Konzept ist, das sieben Hauptfaktoren umfasst. Dazu gehören unter anderem die Fähigkeit, leicht zuhören zu können und die Erfahrung, dass Gesprächspartner auf hilfreiche Weise sprechen. Interessanterweise zeigte die Studie auch, dass einige dieser Faktoren, wie eben das einfache Zuhören und das hilfreiche Sprechen, in Gruppengesprächen als noch wichtiger erachtet wurden als in Einzelgesprächen.
Bild: Die Cluster-Karte zeigt sieben Cluster des Gesprächserfolgs. Die Anzahl der Ebenen repräsentiert die Bewertung der allgemeinen Wichtigkeit, die jedem Cluster zugewiesen wurde.
Der Einfluss von Hörgeräteverstärkung und Lärm auf die Gesprächsdynamik
Die zweite Studie, “The Effects of Hearing-Aid Amplification and Noise on Conversational Dynamics Between Normal-Hearing and Hearing-Impaired Talkers” von Petersen et al. (2022), nahm die Gesprächsdynamik genauer unter die Lupe. Eline Borch Petersen und ihr Team analysierten die Kommunikation zwischen normalhörenden und schwerhörigen Personen in verschiedenen Bedingungen – mit und ohne Hörgeräteverstärkung für die schwerhörige Person sowie in ruhiger Umgebung und mit Hintergrundlärm.
Eine wichtige Erkenntnis dieser Arbeit war, dass Hintergrundlärm die Kommunikationsanstrengung deutlich erhöht. Dies zeigte sich in weniger, langsameren und schlechter getimten Gesprächsbeginnen, sowie in einer lauteren Sprechweise und längeren Sprechabschnitten. Umgekehrt stellten die Forschenden fest, dass die Bereitstellung von Hörgeräteverstärkung dazu führte, dass die schwerhörigen Teilnehmer schneller reagierten, ihre Artikulationsrate erhöhten und kürzere Sprechabschnitte produzierten, was auf eine Reduzierung der Kommunikationsanstrengung hindeutet.
Bild: Aufgabenbearbeitungszeit (A) und prozentualer Redeanteil (B) in Abhängigkeit von Umgebungsgeräusch und Hörgeräteverstärkung bei normalhörenden und schwerhörigen Gesprächspartnern.

A) Aufgabenbearbeitungszeit und B) prozentualer Redeanteil zwischen den beiden Gesprächspartnern jedes Paares. Eine vollständig ausgeglichene Gesprächsteilnahme von 50 % ist durch die gepunktete Linie dargestellt.
Hintergrundlärm verlängert die Zeit, die für die Aufgabenbearbeitung benötigt wird, signifikant. Durch die Verwendung von Hörgeräten durch schwerhörige Teilnehmer verkürzt sich die Aufgabenbearbeitungszeit in geräuschvoller Umgebung tendenziell. Der Redeanteil in ruhiger Umgebung ist relativ ausgeglichen. In geräuschvoller Umgebung allerdings ist der Redeanteil etwas unausgewogener, wobei schwerhörige Teilnehmer ohne Hörgerät tendenziell weniger sprechen und mit Hörgerät tendenziell mehr. Normalhörende scheinen in geräuschvoller Umgebung tendenziell etwas mehr zu sprechen.
Synthese: Ideale Umgebungen und Hörgeräteeinstellung
Die inhaltliche Verbindung dieser beiden Studien ist durchaus aufschlussreich. Die Ergebnisse von Petersen et al. (2022) zur Gesprächsdynamik liefern wertvolle Einblicke in Faktoren, die den in der Studie von Nicoras et al. (2022) identifizierten Gesprächserfolg maßgeblich beeinflussen. Wenn beispielsweise störender Lärm (Petersen et al.) die Gesprächsdynamik negativ beeinflusst und das Zuhören erschwert, ist es wenig überraschend, dass dies auch den subjektiv empfundenen Gesprächserfolg mindert, da die Fähigkeit, leicht zuzuhören, laut Nicoras et al. (2022) ein zentraler Faktor ist.
Ebenso verdeutlichen die Ergebnisse, wie wichtig eine adäquate Hörgeräteversorgung ist. Petersen et al. (2022) konnten zeigen, dass Hörgeräte die Kommunikationsanstrengung reduzieren und die Gesprächsdynamik verbessern können. Dies wiederum trägt dazu bei, dass sich Menschen mit Hörverlust im Gespräch besser verstanden fühlen und die Unterhaltung als erfolgreicher wahrnehmen, was die Kernaussage der Arbeit von Nicoras et al. (2022) unterstreicht.
Wie lassen sich so Gespräche ideal gestalten?
Die Forschung unterstreicht die Notwendigkeit einer individuellen und optimalen Anpassung von Hörgeräten. Dies beinhaltet nicht nur die korrekte Verstärkung, sondern auch die Nutzung von Funktionen zur Lärmreduzierung und zur Verbesserung der Sprachverständlichkeit in geräuschvollen Umgebungen (Petersen et al., 2022). Zudem ist es hilfreich, sich bewusst für ruhigere Gesprächsumgebungen zu entscheiden und in lauten Situationen aktiv Strategien zur Minimierung von Störgeräuschen zu suchen oder zu bitten, die Gesprächsbedingungen anzupassen. Es kann auch nützlich sein, offen über die eigenen Hörbedürfnisse zu kommunizieren und beispielsweise darum zu bitten, dass Gesprächspartner etwas langsamer oder deutlicher sprechen.
Es ist wichtig, direkten Blickkontakt zu halten und in einer angemessenen Lautstärke und Deutlichkeit zu sprechen, ohne dabei übertrieben laut zu werden. Schnelle und undeutliche Sprechweise sollte vermieden werden. In Gruppengesprächen kann es hilfreich sein, sich abzuwechseln und darauf zu achten, dass nicht mehrere Personen gleichzeitig sprechen. Auch kurze Pausen zwischen den Sätzen können die Verständlichkeit erhöhen. Die Ergebnisse von Nicoras et al. (2022) betonen zudem, aufmerksam zuzuhören und dem Gesprächspartner das Gefühl zu geben, verstanden und akzeptiert zu werden, was ja eigentlich selbstverständlich sein sollte.
Die Forschungsergebnisse unterstreichen die Bedeutung einer ganzheitlichen Beratung während der Hörgeräteversorgung in Bezug auf herausfordernde Situationen und das Erwartungsmanagement. Neben der rein technischen Anpassung von Hörgeräten sollten daher auch Strategien für den Umgang mit Lärm und die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeiten thematisiert werden. Die Erkenntnis, dass Gesprächserfolg ein vielschichtiges Konzept ist (Nicoras et al., 2022), sollte ebenfalls in die Beratung einfließen dürfen, um die individuellen Bedürfnisse und Erwartungen der Betroffenen besser zu verstehen und zu adressieren. Schließlich möchten wir doch alle Gesprächsumgebungen und -bedingungen, in denen sich jeder gehört und verstanden fühlt.
Quellen:
- Nicoras et al. (2022), “Conversation success in one-to-one and group conversation: a group concept mapping study of adults with normal and impaired hearing”
- Petersen et al. (2022), “The Effects of Hearing-Aid Amplification and Noise on Conversational Dynamics Between Normal-Hearing and Hearing-Impaired Talkers”
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