Ein Forscherteam aus den USA hat potenziell wegweisende Erkenntnisse zur objektiven Bewertung von Tinnitus vorgestellt. In einer aktuellen Studie konnten unwillkürliche physiologische Reaktionen identifiziert werden, die in direktem Zusammenhang mit dem individuellen Belastungsempfinden durch Tinnitus stehen. Im Fokus der Untersuchung standen dabei Veränderungen der Pupillenweite sowie subtile Bewegungen der Gesichtsmuskulatur.

Tinnitus – das als Wahrnehmung von Geräuschen ohne äußere Schallquelle definiert ist – betrifft weltweit viele Millionen Menschen. Die individuelle Ausprägung der Belastung lässt sich bislang fast ausschließlich durch subjektive Angaben erfassen. Mit den neuen Ergebnissen könnten nun erstmals objektive Biomarker zur Verfügung stehen, die eine standardisierte Beurteilung ermöglichen.
Pupillenerweiterung und Mimik als physiologische Reaktion auf Tinnitus-Belastung
Für die Untersuchung wurden Testpersonen verschiedenen akustischen Reizen ausgesetzt. Währenddessen wurden ihre Pupillenreaktionen sowie kleinste Gesichtsbewegungen mittels Videoaufzeichnung und KI-gestützter Analyse ausgewertet. Es zeigte sich, dass Personen mit stark ausgeprägtem Tinnitus überdurchschnittlich starke Pupillenerweiterungen aufwiesen, unabhängig von Art oder Intensität der Klänge. Gleichzeitig nahmen ihre Gesichtsmuskelreaktionen im Vergleich zu den übrigen Teilnehmenden deutlich ab.
Diese physiologischen Muster deuten auf eine erhöhte Grundaktivierung des autonomen Nervensystems hin, wie sie oft bei chronischem Stress zu beobachten ist. Betroffene scheinen dauerhaft in einem Zustand erhöhter Wachsamkeit zu verbleiben, was zu einer verminderten Differenzierungsfähigkeit gegenüber akustischen Reizen führen kann.
Neue Diagnoseansätze für Tinnitus: Potenzial für klinische Anwendung und Forschung
Besonders relevant ist, dass die Messungen ohne invasive Verfahren oder aufwendige Technik erfolgen konnten. Das eröffnet die Möglichkeit, die Methode in klinischen Kontexten weiterzuentwickeln – sowohl für die Diagnostik als auch zur Verlaufskontrolle bei therapeutischen Maßnahmen.
Die Ergebnisse werfen zudem ein neues Licht auf die komplexe Verbindung zwischen auditiver Wahrnehmung und allgemeinen Stressreaktionen. Für Fachkreise aus Hörakustik und angrenzenden Disziplinen wie der Optometrie könnten sich hieraus neue interdisziplinäre Ansätze ergeben, etwa im Bereich der frühzeitigen Erkennung und differenzierten Betreuung von Menschen mit Tinnitus.
Insgesamt könnten Pupillenreaktion und Gesichtsmimik als objektive Marker die Tinnitus-Diagnostik ergänzen und neue Impulse für Forschung und klinische Praxis geben. Sie ermöglichen eine differenziertere Einschätzung der individuellen Belastung und könnten langfristig zur Entwicklung gezielterer Behandlungsansätze beitragen. Weitere Studien sind bereits in Planung, um die Anwendbarkeit der Methode in breiteren Patientengruppen zu evaluieren.
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