Fünf Jahre nach Beginn der COVID-19-Pandemie wird zunehmend deutlich, welche Rolle das Virus im Zusammenhang mit dem menschlichen Hörsystem spielt. Forschungsergebnisse zeigen Langzeitfolgen für das auditive System, die sowohl klinisches Interesse als auch Herausforderungen für die Hörakustikbranche und das Gesundheitswesen nach sich ziehen.

Aktueller Forschungsstand zum Zusammenhang von COVID-19 und Hören
COVID-19-Infektionen können das auditive System auf verschiedene Weise beeinflussen. Frühere Hypothesen konzentrierten sich auf mögliche Schädigungen des Innenohrs und der zentralen Hörbahn, die sich in Symptomen wie Hörverlust, Tinnitus und Schwindel äußern können. Inzwischen liegen klinische und bildgebende Nachweise vor, dass das Virus bestimmte Hirnstrukturen entlang des auditiven Pfads beeinflussen kann. Studien zeigen, dass die Symptome häufig mit sogenannten zentralen auditiven Verarbeitungsstörungen („Auditory Processing Disorders“, APD) und kognitiven Einschränkungen („Brain Fog“) einhergehen.
Arten und Häufigkeit der Hörstörungen nach COVID-19
Die Mehrheit der untersuchten Fälle betrifft eine hochfrequente, beidseitige sensorineurale Schwerhörigkeit. Diese Form betrifft die Haarzellen im Innenohr oder den Hörnerv. In einigen Fällen zeigen sich zudem Erkrankungen des Mittelohres, wie Entzündungen oder Ergüsse. Die Prävalenz für Hörverlust und Tinnitus bei Erwachsenen mit COVID-19 lag in systematischen Auswertungen bei 7–8 % bzw. 14–15 %.
Besonders auffällig: Während Hörprobleme bei hospitalisierten Erwachsenen häufiger und teils persistierend auftreten, zeigen sich bei Nicht-Hospitalisierten meist eine vorübergehende Ausprägung und Besserung im Verlauf der Genesung. Der kausale Zusammenhang zwischen COVID-19 und dauerhafter Schwerhörigkeit bleibt weiterhin Gegenstand von Untersuchungen, zumal einige Studien auf eine mögliche Rückbildung der Symptome hinweisen.
Langzeitfolgen und „Long COVID“ im auditiven Bereich
Persistierende Höreinschränkungen sind ein Teil des Langzeitsyndroms „Long COVID“. Neben direkter Schädigung von Haarzellen und Hörnerv werden zentrale Prozesse wie verlangsamte Reizleitung im Gehirn diskutiert. Bildgebende Verfahren und objektive Messungen (z. B. otoakustische Emissionen, Auditory Brainstem Responses) bestätigen diese zentralen Veränderungen, die häufig auch mit Konzentrations- und Gedächtnisproblemen einhergehen.
Relevanz für Diagnostik und Versorgung
Für die Praxis bedeutet dies, dass bei Patienten mit Hörbeschwerden nach COVID-19 eine umfassende audiologische Diagnostik empfohlen wird. Dazu zählen auch Testverfahren zur zentralen auditiven Verarbeitung, um APD-ähnliche Symptome von rein peripherem Hörverlust abzugrenzen. Zudem kann die genaue Erhebung der COVID-19-Anamnese bei der Diagnose und Versorgung hörbeeinträchtigter Personen helfen.
Fünf Jahre nach Pandemiebeginn lässt sich festhalten, dass COVID-19 bei einem Teil der Erkrankten sowohl periphere als auch zentrale Hörstörungen verursachen kann. Während viele Betroffene von einer Besserung ihrer Symptome berichten, bestehen in Einzelfällen auch dauerhafte Einschränkungen. Die audiologische Nachsorge von COVID-19-Patienten gewinnt daher an Bedeutung – auch um langfristige Defizite frühzeitig zu erkennen und gezielt zu behandeln.









