Als Signia im März sein Pure Charge & Go BCT mit Bluetooth Classic einführte, sorgte das für die ein oder andere überraschte Reaktion. Doch bei näherer Betrachtung ergibt das durchaus Sinn: Bluetooth Classic ist mit 99 Prozent aller bluetoothfähigen Endgeräte kompatibel – und das mit einer wesentlich besseren Klangqualität als der bisherige Standard Low Energy. Doch wie bekommt man das absolute Maximum aus den neuen Pure Charge & Go BCT beim Streaming? Signias Head of Audiology & Training Sascha Haag gibt Tipps.

Bluetooth LE Audio mag der vielzitierte Zukunftsstandard sein – dank eigens für Audioübertragungen entwickeltem LC3-Codec, niedriger Latenz und geringem Stromverbrauch. Aber bis der Standard tatsächlich in der Breite angekommen ist, werden wohl noch einige Jahre ins Land ziehen. Bis dahin hat Bluetooth Classic durchaus seine Berechtigung. Immerhin stellt es den noch aktuellen Standard Bluetooth LE (ohne Audio) in Sachen Klang und Gerätekompatibilität in den Schatten – und somit auch bei der Streaming-Klangqualität.

Warum ist gute Klangqualität beim Musikhören mit Hörgeräten wichtig?
Aber warum ist es so wichtig, sich dem Streamingklang zu widmen? Weil Musik Emotionen weckt: Bis zu 80 % einer Kaufentscheidung werden aus emotionalen Gründen getroffen – und Musik ist dabei ein mächtiger Trigger. Erinnerungen, Gefühle, Stimmungen – all das hängt oft an einem Song, einem Klang. Und genau hier liegt eine riesige Chance für den Hörakustiker, sich zu profilieren und zu differenzieren.
Drei Wege zum perfekten Streamingklang mit Hörgeräten
Um den ohnehin schon besseren Klang durch Bluetooth Classic noch weiter zu optimieren, gibt es drei Möglichkeiten, die sich in der Praxis bewährt haben – das hat uns Sascha Haag erklärt, Head of Audiology & Training bei Signia Deutschland.
1. In-Situ-Anpassung mit Perzentilanalyse – das bewährte Fundament
Die klassische Methode: Die Hörgeräte werden in Trageposition exakt auf die Hörkurve des Endkunden angepasst, basierend auf einer Perzentilmessung mit dem IST-Signal. Dabei entsteht ein Verstärkungsprofil, das optimal auf Sprachverstehen abgestimmt ist. Für TV-Streaming oder Telefonate ist das oft genau richtig – denn hier steht Klarheit über Emotion.
Aber Achtung: Musik lebt von Bässen, Dynamik und breiten Frequenzbändern. Und genau da limitiert die NAL-NL2-Zielkurve, weil sie eher Höhen betont und den Tieftonbereich absichtlich absenkt – zum Wohl der Sprachverständlichkeit, nicht des Klanggenusses. Außerdem ist die Methode der Programmierung per Noah Link Wireless und nachgelagertem Streamen eher unpraktisch im Alltag: Geräte müssen zwischen Programmierung und Streaming mehrfach verbunden und getrennt werden, da keine Live-Übertragung möglich ist. Diese Methode empfiehlt sich also eher für Nutzer, die viel telefonieren oder Hörbücher hören und ist nicht die erste Wahl für Musikliebhaber.
2. Lautheitskalibrierung – die Klangkurve aus dem Tonstudio
Jetzt wird’s audiophil: Diese Methode ist inspiriert von den Tönen gleicher Lautheit, Isophone und auch ein bisschen der HiFi-Branche. Sie basiert auf dem Prinzip, dass Musik im Studio bereits ideal abgemischt ist – in halbreflektierenden Räumen, mit Fokus auf harmonischer Klangbalance. Die Grundidee: Wenn das Hörgerät die individuelle Lautheitsempfindung über die Frequenz korrekt wiedergibt, dann klingt Musik automatisch besser – so wie es sich der Toningenieur beim Abmischen vorgestellt hat.
Wie funktioniert das in der Praxis? Per Terzbandrauschen wird die Lautheit im Freifeld über die Mikrofone kalibriert. Hieraus ergibt sich eine Zielkurve für den Streamingpfad. Diese wird im Anschluss per gestreamtem weißen Rauschen via Bluetooth-Wiedergabe durch das Hörgerät mithilfe der Bluetooth-Offsets angepasst. Das Ergebnis: Ein ausgewogenes, bassstarkes Streamingprofil, das sowohl TV als auch Musik gerecht wird.

In Tests zeigte sich: Der Klang kommt dem eines guten In-Ear-Kopfhörers nahe. Mehr Tiefe, mehr Dynamik, mehr Emotion. Die Unterschiede sind hörbar – und messbar. Der Nachteil: Der Prozess ist aufwändiger, weil auch hier mit Trennen, Messen, Vergleichen gearbeitet wird. Dafür erhält man eine technisch fundierte, individuelle Klangsignatur.
3. Der Signia Assistant – KI trifft persönlichen Geschmack

Eine ganz andere Strategie: Der Kunde entscheidet selbst, wie sein Hörgerät beim Streaming klingen soll. Mit dem Signia Assistant lassen sich Klangprofile direkt im Alltag anpassen – beim Musikhören, beim Fernsehen, beim Spazierengehen. Die KI-gestützte App analysiert Vorlieben und erstellt individuelle Klangverbesserungen, die live getestet und gespeichert werden können.
Und das funktioniert: In Tests brachte die KI beim Musikstreaming im Vergleich zur Freifeldkalibrierung nochmal 5 dB mehr Bass. Der große Vorteil ist, dass der Signia Assistant schnell, einfach und intuitiv bedienbar ist – und zwar durch den Endkunden selbst. Gleichzeitig sieht der Hörakustiker alle Änderungen später in der Anpasssoftware und kann bei Bedarf weiter optimieren.
Die richtige Hardware für den perfekten Streamingklang mit Hörgeräten
Damit das alles funktioniert, benötige man aber die richtige Hardware, empfiehlt Sascha Haag – insbesondere die richtige akustische Ankopplung: P- oder HP-Hörer bieten mehr Dynamik und Bass – genau das, was beim Streaming erwünscht ist. Kleine Vents (1,0–1,6 mm) sorgen für dichten Sitz und verhindern Bassverluste.
Und der Bluetooth Classic-Standard spielt automatisch seine Stärken aus: dank SBC-Codec liefert er hohe Bitraten für den perfekten Musikgenuss. Ein wichtiger Hinweis: Der Equalizer der Connexx-Software kann nur bis ca. 15 dB kompensieren – darüber hinaus hilft nur ein besserer Hörer oder ein dichterer Sitz. Hier entscheidet die handwerkliche Qualität der Anpassung über den späteren Klang.
Praxis-Tipp: Bieten Sie Kunden bei der Anpassung bewusst eine „Klangreise“ an. Lassen Sie sie Musik testen – live, in der Anpassung. Und hören Sie genau hin, wenn sie sagen: „Jetzt klingt’s wie früher.“ Das ist das Zeichen, dass der Streamingklang perfekt ist. Wer einmal Schritt für Schritt durch die Optimierung des Streaming-Klanges geführt werden möchte, kann sich hier für die Online-Schulung bei Signia registrieren.






