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EUHA 2024 Trend: Künstliche Intelligenz (KI) in der Hörakustik

Auch dieses Jahr machten wir uns während des EUHA-Kongresses auf die Suche nach Trendbewegungen in der Hörgerätebranche. 2023 fanden wir diese in klassischen audiologischen Features, die Gespräche im Störlärm verbesserten – und natürlich in Bluetooth LE Audio mit Auracast. Beide Themen waren auch dieses Jahr weiterhin präsent – eines schwebte jedoch über allem: Künstliche Intelligenz. Egal wohin man blickte, das Thema war omnipräsent. Aber wieso gerade jetzt?

EUHA 2024 Trend Künstliche Intelligenz

KI in der Hörgerätebranche

KI ist eigentlich gar nichts neues, auch nicht in der Hörgerätebranche. Oticon kommunizierte schon 2020, dass seine damals neue Hörgeräteplattform mit einem Deep Neural Network trainiert wurde. Im selben Jahr wurden die intelligenten Assistenz-Programme MySound von Widex und der Signia Assistant eingeführt. Bereits 2018 brachte Starkey die Plattform Livio AI auf den Markt, welche sich mithilfe von KI an die Bedürfnisse des Nutzers anpasste.

Der Startschuss dieser Technologie ertönte jedoch schon viel früher: Ihre Anfänge machte KI in den 1950er Jahren, ab den 90ern nahm maschinelles Lernen richtig Fahrt auf, welches dank wachsender Speicherkapazitäten in den folgenden Jahrzehnten auch in der Hörgeräteentwicklung immer häufiger zum Einsatz kam – warum also jetzt erst dieser Riesen-Hype um KI?

KI in der Hörakustik – warum jetzt?

Dass es aktuell kaum ein anderes Thema zu geben scheint liegt vor allem daran, dass sich durch generative KI-Tools wie ChatGPT die Wahrnehmung in der Gesellschaft ändert. KI wird ganz praktisch nutzbar und die Vorteile werden immer deutlicher. Gleichzeitig wächst die Gewissheit, dass an dieser neuen Technologie kein weg mehr vorbei führt – auch nicht in der Hörakustik.

Und das machte sich während des EUHA-Kongresses in diesem Jahr an jeder Ecke bemerkbar – ob in Gesprächen, bei Vorträgen oder an den gehighlighteten Features der Hersteller. Die einzelnen Tools standen dabei weniger im Vordergrund als die Sache selbst: Die Anwendung von KI, auch im Zwischenspiel von Akustiker und Endkunde, ganz generell – elementar dabei der Appell, KI nicht als Ersatz für Akustikerleistungen zu begreifen, sondern vielmehr als Ergänzung. Dann kann man nämlich ChatGPT als Argumentations- und Beratungswerkzeug verstehen und die KI-Tools der Hörgerätehersteller als Möglichkeit, schneller zu einem Ergebnis zu kommen, das den Endkunden zufriedenstellt.

Praktischer Nutzen von KI für die Hörakustik

Über Tools wie den Signia Assistant, Widex MySound oder den Edge Modus von Starkey aktiv zu beraten, schafft schließlich auch direkten Mehrwert: Den Endkunden wird so die Fähigkeit mitgegeben, in herausfordernden Situationen aktiv am eigenen Hörerfolg mitzuwirken. KI kann hier in einem gewissen Rahmen die Blind Spots der Hörgeräteversorgung aufdecken – und den Hörakustiker in denjenigen Situationen vertreten, in welchen er ohnehin keinen Einfluss auf den Endkunden hat.

Was KI noch leisten kann, zeigt auf ganz anderer Ebene die neue Phonak-Generation Infinio. Das Sphere-Modell ist mit einem Extra-Chip ausgestattet, der ausschließlich für die Verarbeitung von Sprache im Störgeräusch mittels Deep Neural Networks zuständig ist. Und dieses arbeitet so präzise, dass man für das Sprachverstehen kaum noch Richtmikrofone benötigt. Auch die neue Starkey-Produktfamilie Edge AI profitiert von einer stark gesteigerten Performance durch die Optimierung des hauseigenen Deep Neural Networks. Diese Beispiele zeigen, welches Potenzial auch bei der Signalverarbeitung noch in KI steckt. Sie deuten darauf hin, dass Hörprogramme irgendwann obsolet werden könnten, weil sich das Hörgerät automatisch auf jede Situation einstellt. Und auch das ist schließlich wieder ganz im Sinne des Endkunden, der sich ein reibungsloses Hören wünscht, deren Technik er nicht bemerkt.

Der Künstlichen Intelligenz offen zu begegnen, ist wichtig. Die Technologie ist in unserem Alltag angekommen und hat damit Einfluss auf sämtliche Lebensbereiche – dazu gehört auch das Berufsbild der Hörakustik. Aber ist das schlecht? Wie so oft kommt es auf den Blickwinkel an. Begreift man KI als effektives Hilfsmittel, das Arbeit abnimmt, Zeitressourcen schafft und dabei sogar das Ergebnis verbessert, erscheint die Veränderung vielleicht gar nicht so verkehrt – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels.