Home | Extra | Kann Hörverlust geheilt werden? Neue Studie weckt Hoffnungen
Extra

Kann Hörverlust geheilt werden? Neue Studie weckt Hoffnungen

In einer wegweisenden Studie haben Forscher des King’s College London eine bemerkenswerte Entdeckung gemacht: Man könnte Hörverlust durch die Aktivierung von Genen bei mutierten Mäusen umkehren. Die Studie, veröffentlicht in den Proceedings of the National Academy of Sciences, weist auf die Möglichkeit hin, genbasierte Eingriffe nicht nur zur Vorbeugung, sondern auch zur Umkehrung von Hörverlust zu nutzen.

Kann Hörverlust geheilt werden? Neue Studie weckt Hoffnungen
Haarzellen sind spezialisierte Sinneszellen im Innenohr, die Schallwellen in elektrische Signale umwandeln und somit unser Hörvermögen ermöglichen. Lange ging man davon aus, dass eine Beschädigung unumkehrbar ist. Studien wie diese lassen das Gegenteil vermuten.
Quelle

Hörverlust: Ein weitverbreitetes Problem mit genetischem Hintergrund

Unbehandelter Hörverlust steht im Zusammenhang mit vielen chronischen Krankheiten, sozialer Isolation, Depressionen und sogar kognitivem Abbau und Demenz. Während Hörgeräte und Cochlea-Implantate hervorragend zur Verbesserung der Kommunikation geeignet sind und sogar vielversprechend sind, um das Risiko für negative medizinische Zustände zu verringern, können sie den normalen Hörprozess nicht vollständig wiederherstellen und stoppen den Krankheitsverlauf nicht.

Derzeit werden mehrere verschiedene genetische Ansätze untersucht, um genetischen Hörverlust zu unterdrücken oder zu stoppen, darunter Genunterdrückung und -ersatz sowie die Bearbeitung von Genen zur Reparatur von Mutationen. Beispielsweise wurde gezeigt, dass Otoferlin, das in die Ohren junger Mäuse injiziert wurde, abnormalen Funktionen der inneren Haarzellen entgegenwirkt und Taubheit verhindert. Die Forscher der vorliegenden Studie wollten herausfinden, ob ein bestehender Hörverlust umgekehrt werden kann, da die höchste Nachfrage nach Behandlungen von Menschen mit fortschreitendem altersbedingtem Hörverlust herrscht.

Genaktivierung brachte Mäusen das Hörvermögen zurück

Um diese Frage zu untersuchen, verwendete das Team des King’s College London einen genetischen Ansatz bei Mäusen, die eine Mutation im Spns2-Gen aufwiesen. Dieses Gen spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung des Ionen-Gleichgewichts, das für die Funktion der Sinneshaare in der Hörschnecke notwendig ist. Sinneshaare sind verantwortlich für die Umwandlung von Schallwellen in elektrische Signale, die dann an das Gehirn zur Verarbeitung gesendet werden. Diese Haarzellen sind stark abhängig von einer Flüssigkeit namens Endolymph. Endolymphatische Flüssigkeit umspült die Spitzen der Sinneshaare im Innenohr und erfüllt entscheidende Funktionen für das Hören und das Gleichgewicht.

Mäuse mit der Spns2-Genmutation zeigen rasch fortschreitenden Hörverlust, der mit einem dramatischen Rückgang des endocochleären Potenzials (EP) einhergeht – ein kritischer Parameter des Ionen-Gleichgewichts, das die Umgebung der Sinneshaare aufrechterhält – zwischen der 2. und 3. Woche nach der Geburt.

Die Methode des Teams bestand darin, die Genaktivierung von Spns2 in verschiedenen Krankheitsstadien zu kontrollieren – um verschiedene Behandlungszeitpunkte beim Menschen zu simulieren. Sie vermuteten, dass sie durch die Wiederherstellung der Funktion des Spns2-Gens den mit dieser genetischen Mutation verbundenen Hörverlust umkehren könnten.

Überraschende Ergebnisse

Die Ergebnisse waren überraschend. Mäuse, die frühzeitig in ihrer Entwicklung genaktiviert wurden, zeigten signifikante Verbesserungen der Hörleistung. Messungen der auditiven Hirnstammantwort (ABR) – ein wichtiger Indikator für die Hörleistung – zeigten, dass diese Mäuse nahezu normale Hörschwellenwerte erreichten. Eine Verzögerung der Genaktivierung führte zu weniger effektiver Erholung, was darauf hinweist, dass es ein kritisches Zeitfenster für die Intervention gibt.

Bemerkenswerterweise erstreckten sich die Vorteile über verbesserte Hörsschwellen hinaus. Die frühzeitige Genaktivierung stellte nicht nur die auditive Funktion wieder her, sondern schützte auch die Sinneshaare vor sekundärer Degeneration. Dieser Befund legt nahe, dass der Ansatz möglicherweise breitere Auswirkungen auf die Erhaltung neuronaler Strukturen und Funktionen jenseits des Gehörsystems haben könnte.

Die Bedeutung des kritischen Zeitfensters

Die Studie betonte die jedoch auch Bedeutung des richtigen Zeitpunkts für die Genaktivierung. Frühe Interventionen führten zu den besten Ergebnissen, während eine Verzögerung der Genaktivierung zu einer weniger effektiven Umkehrung führte. Dies verdeutlicht den engen Zusammenhang zwischen rechtzeitiger Behandlung und Erfolg.

Weitere Impulse für die medizinische Forschung

Die Ergebnisse dieser Studie sind nicht nur für die Hörversorgung von Bedeutung. Sie dienen als Beweis für die Umkehrbarkeit bestimmter neurologischer Zustände und stellen das Konzept in Frage, dass diese Zustände unvermeidlich fortschreiten. Dies könnte Auswirkungen auf eine breite Palette von neurologischen Störungen haben und Hoffnung auf innovative Behandlungen wecken.

Obwohl die direkte Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen möglicherweise begrenzt ist, legen sie den Grundstein für zukünftige genbasierte Therapien bei einschränkenden Zuständen. Die Aktivierung von Genen könnte dabei helfen, Krankheitsverläufe zu stoppen oder umzukehren. Dieser Ansatz hat das Potenzial, die Behandlung von neurologischen Störungen zu revolutionieren und neue Hoffnung für die Zukunft zu schaffen.

Quelle:

https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2307355120?utm_source=hearingtracker.com

Tags