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Elderspeak: Eine gängige Form der Altersdiskriminierung

Elderspeak ist ein Phänomen, das vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit erfährt – obwohl es jeder kennt. Übersetzen könnte man „Elderspeak“ in „Seniorensprache“. Gemeint ist damit eine vereinfachte, kindliche, auch bevormundende Sprache gegenüber älteren Menschen – und dieser Umgang, der in der Regel als herablassend und respektlos wahrgenommen wird, kann erhebliche negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Betroffenen haben.

Elderspeak Eine gängige Form der Altersdiskriminierung

Elderspeak im Auge der Wissenschaft

„Elderspeak ist eine unangemessene vereinfachte Sprachregisterform, die wie Babysprache klingt und häufig bei älteren Menschen verwendet wird, insbesondere im Gesundheitswesen“, so definieren die Wissenschaftlerinnen Clarissa Shaw, Jean Gordon und Kristine Williams das Phänomen in einem Artikel, der 2020 in der National Library of Medicine veröffentlicht wurde. Sie haben untersucht, welche Auswirkungen dieser Umgang auf den Pflegeerfolg von Demenzkranken hat und fanden heraus: Elderspeak erhöhte das Unbehagen und damit den Widerstand der Patienten gegen Pflegemaßnahmen, was wiederum die verhaltens- und psychologischen Symptome verschlechterte.

Elderspeak ist Altersdiskriminierung

Die Wissenschaftlerinnen haben 83 Artikel überprüft und die Merkmale von Elderspeak nach verschiedenen Eigenschaften kategorisiert. Dabei erkannten sie, dass Elderspeak ein Ausdruck von Altersdiskriminierung sei. Die Hinweise auf das Alter und Anzeichen für funktionelle oder kognitive Beeinträchtigung würden zu einer vereinfachten Kommunikation durch jüngere Betreuer führen.

Dr. Elisa Schnabel von der Universität Heidelberg schlussfolgerte ebenfalls: Der funktionelle Status trägt entscheidend dazu bei, dass Pflegekräfte gegenüber älteren Patienten im Akutkrankenhaus schädliche sowie hybride Merkmale von Elderspeak verwenden. Das heißt: Ist – oder wirkt – ein Patient aufgrund seines Alters geistig oder körperlich beeinträchtigt, wählen die Pflegekräfte häufig diese vereinfachte, bevormundende Sprache.

Dararn erkennt man Elderspeak

Woran man Elderspeak erkennt, spezifizierte Schnabel weiter: Anzeichen seien die Verniedlichung („Opa, jetzt musst du dich mal da rüber drehen!“), das Pflege-Wir („Haben wir Durchfall?“) sowie Frageanhängsel („Am Waschbecken sollten Sie sitzen bleiben, ja?“). Weitere Hinweise auf Elderspeak seien eine geringe lexikalische Vielfalt, eine geringe Sprechgeschwindigkeit oder auch reduzierte grammatikalische Komplexität. Shaw, Gordon und Williams erkennen als Hauptmerkmal von Elderspeak einen übertriebenen Sprachrhythmus beziehungswese bestimmte Muster von Betonung, Rhythmus und Lauten – ähnlich wie bei der Babysprache.

Elderspeak bei schwerhörigen Menschen

Diese Untersuchungen stammen aus dem klinischen Umfeld – es ist vor allem vom Umgang der Pflegekräfte mit den Patienten die Rede. Selbstverständlich ist Elderspeak jedoch nicht nur in diesem Zusammenhang ein Problem. Jeder kennt Beispiele aus dem Alltag. Gerade, wenn man beruflich mit älteren Menschen zu tun hat – zum Beispiel in der Hörakustik – schadet es nicht, sich gelegentlich auch selbst einmal kritisch zu hinterfragen. Schließlich geschieht Elderspeak meist unbewusst und ohne böse Absicht. Nicht zuletzt ist auch Schwerhörigkeit als eine der funktionellen Einschränkungen zu betrachten, die zur Verwendung von Elderspeak verleiten. Viele Betroffene – vor allem wenn sie unversorgt sind – leiden darunter, dass sie von anderen häufig unbewusst als intellektuell oder kommunikativ eingeschränkt vorverurteilt werden.

Ein Teil der Lösung ist sicher die professionelle Hörgeräteversorgung durch einen Hörakustiker. Die Bereitschaft dazu muss jedoch vom Betroffenen selbst kommen. Das Beste, was Angehörige, aber auch Fachkräfte tun können, ist den schwerhörigen Menschen respektvoll und auf Augenhöhe zu begegnen. Denn nicht nur im Umgang mit Demenzkranken gilt: Wer sich herablassend behandelt und nicht ernstgenommen fühlt, begibt sich in Abwehrhaltung.

Quellen:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7741962/#
https://www.nar.uni-heidelberg.de/md/nar/medien/pdfs/abschlusskongress_schnabel_final.pdf
https://www.healthyhearing.com/report/53575-Elderspeak-greyspeak-hearing-loss-and-dementia

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