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Technologie-Deep Dive: Starkeys neuer Edge Modus +

Die Automatik von Starkeys aktueller Plattform Genesis AI sei so gut, dass viele Nutzer gar nicht eingreifen wollen. Das bestätigten uns einige Hörakustiker. Trotzdem gibt es ein Feature, das den Klang in akustisch anspruchsvollen Situationen noch einmal hinsichtlich Sprache und Hintergrundgeräusche optimiert: den Edge Modus +. Aktiviert via Doppeltipp aufs Hörgerät oder über die App, dient es als KI-gesteuerter Retter in der Not. Und da der Edge Modus + zusätzlich nun auch die Hörabsicht berücksichtigt – also individualisierbar ist – bedient Starkey ganz nebenbei den Mega-Trend „Personalisierung des Hörerlebnisses“.

Umfragen wie die EuroTrak oder der US-amerikanische Ableger MarkeTrak bestätigen, dass auch mit den heutigen modernen Hörlösungen das Verstehen von Sprache im Lärm oftmals eine Herausforderung bleibt. Das Zuhören in geräuschvollen Umgebungen ist für viele Nutzer extrem anstrengend und manchmal sogar unmöglich. Und auch wenn die automatische Signalverarbeitung mit Starkeys Neuro Prozessor so hochgelobt wird, gibt es selbstverständlich auch hier Nutzer, die sich in schwierigen akustischen Situationen überfordert fühlen.

Mit dem Edge Modus + hat ein starkes Feature Einzug gehalten, das Hörgeräteträgern viel Frustration ersparen kann. Es ist in allen drei Technologiestufen 24, 20 und 16 erhältlich sowie in einige der neuen Im-Ohr-Modelle der Signature Series integriert. Der Edge Modus + ist eine Ad-Hoc-Lösung für Situationen, in welchen die Hörgeräte-Automatik an ihre Grenzen gerät: Etwa in einem gut besuchten Restaurant, oder – passend zu den aktuellen Gegebenheiten – während eines Fußballspiels. Interne Studien konnten bereits zeigen, dass der Edge Modus + diese Defizite gekonnt kompensieren kann. Aber dazu später mehr.

Edge Modus Plus Starkey Technologiestufen

Versteh-Boost via Doppeltipp oder App: So funktioniert der Edge Modus +

Ein typisches Beispiel: Familienfeier. Es wird spät, am Tisch wird lautstark diskutiert und gelacht, im Hintergrund spielen die Kinder. Für Hörgeräteträger sind solche Situationen extrem herausfordernd. Mit jeder Stunde wird das Zuhören anstrengender und schließlich verabschiedet man sich früher als gewollt – viele Endkunden kennen das.

Sobald die Automatik des Hörgeräts seine Grenze erreicht hat, beginnt der Zuständigkeitsbereich des Edge Modus +: Wenn der Hörgeräteträger merkt, dass er sich beim Zuhören schwertut, kann er mit diesem Feature ein Extra an Sprachverstärkung und Störgeräuschunterdrückung anfordern, das dank KI der individuellen Situation angepasst ist.

Dafür tippt er entweder zweimal aufs Hörgerät (Technologiestufe 24) oder aktiviert den Edge Modus + über die My Starkey App (ab Technologiestufe 16). Das Hörgerät macht sofort eine Momentaufnahme der akustischen Umgebung. Diese gleicht es mit einer riesigen Menge von Klangszenarios ab, mit denen das Hörgerät im Vorfeld trainiert wurde. Dazu nutzt es ein Deep Neural Network – also künstliche Intelligenz – mit dessen Hilfe es innerhalb sehr kurzer Zeit unglaublich hohe Datenmengen verarbeiten kann. Schließlich wählt es die Klangeinstellung, die am besten zur aktuellen Geräuschsituation passt.

Edge Modus + berücksichtigt die Hör-Absicht des Nutzers

Starkey Edge Modus + Hörabsicht

Die Grundfunktion erfüllte bereits die erste Generation des Edge Modus. Die zweite Generation Edge Modus +, die im März auf den Markt kam, kann aber noch genauer auf die Wünsche des Nutzers eingehen – ab Technologiestufe 20. Dave Fabry, Ph.D und Chief Hearing Health Officer bei Starkey USA, erklärt: “Auch wenn KI tatsächlich intelligent ist, tut sie sich schwer, auf menschliche Art zu wissen, wem oder was der Nutzer gerade wirklich zuhören möchte – oder auch nicht“.

Über die My Starkey App kann man nun deshalb die Hörabsicht auswählen, bevor man den Edge Modus + aktiviert: „Bester Klang“, „Sprachverbesserung“ oder „Geräuschreduzierung“. Denn manchmal benötigt der Nutzer mehr Details in bestimmten Hörsituationen als sonst, beispielsweise weil er sein Gegenüber besser verstehen möchte – dann wählt er „Sprachverbesserung“ – oder er sich von den spielenden Kindern gestört fühlt – dann wählt er „Geräuschreduzierung“. Standardmäßig ausgewählt ist die Hörabsicht „Bester Klang“, welche auch beim Doppeltipp aktiv wird. Dies muss insbesondere bei den Edge Modus +-fähigen Im-Ohr-Hörsystemen der Signature Series berücksichtigt werden, die nicht mit der My Starkey App kompatibel und somit nur via Tastendruck steuerbar sind.

Edge Modus + mit Automatik

Bei der Technologiestufe 24 passen sich die Klangeinstellungen des Edge Modus + innerhalb einer Hörabsicht übrigens automatisch an akustische Veränderungen an. Ein Beispiel: Man sitzt in einem belebten Restaurant und aktiviert den Edge Modus +, um sein Gegenüber besser zu verstehen. Im Verlaufe des Abends wird das Restaurant immer leerer, die Hintergrundgeräusche werden immer leiser – also reduziert das Features automatisch das Noise Management, während die Sprachanhebung bestehen bleibt. Diese Veränderungen geschehen langsam und stufenlos, damit sie der Nutzer nicht wahrnimmt.

Der Edge Modus + stellt also einen Extra-Boost für herausfordernde Hörsituationen dar, der sich automatisch an sich ändernde akustische Gegebenheiten anpasst. Bei der Vorgängergeneration mussten die Nutzer selbst tätig werden, wenn die Einstellung nicht mehr zum gewünschten Klang gepasst hat, und den Edge Modus erneut betätigen.

Starkey Edge Modus + Automatisch Hörabsicht

On-Demand-Funktion für akustische Herausforderungen

Bezüglich der Automatik des Edge Modus + stellt sich die Frage, ob man diesen nicht einfach dauerhaft aktiviert lassen könne. Davon rät Starkey jedoch ab. Beim Hörgeräteklang müsse man stets Kompromisse zwischen Hörkomfort und Hörbarkeit eingehen, erklärt Dave Fabry. Auf diese Balance sei die automatische Signalverarbeitung ausgelegt und deshalb eigne sie sich perfekt für die täglichen Herausforderungen. Der Edge Modus + hingegen greift ziemlich aggressiv ein:

Geräuschunterdrückung und Sprachanhebung werden adaptiv zu den bereits vorgenommenen Änderungen der automatischen Signalverarbeitung hinzugefügt. Auf Dauer ist das Zuhören bei einer solchen Konfiguration ziemlich anstrengend. Wenn man den Edge Modus + permanent aktiviert lassen würde, würde das außerdem zu einer verminderten Wahrnehmung der Umgebung führen.

Deshalb hat man sich bei Starkey entschieden, den Edge Modus + als On-Demand- und nicht als Automatik-Feature zu integrieren. So kann die automatische Signalverarbeitung die alltäglichen Herausforderungen bewältigen – und für alles darüber hinaus ist der Edge Modus + zuständig. Letzten Endes weiß nur der Nutzer selbst, wann er diese Extra-Hilfe benötigt.

Studien belegen Effektivität des Edge Modus +

Ob der Edge Modus + auch faktisch das hält, was er verspricht, hat Starkey in internen Studien überprüft. Ein erster Versuch untersuchte die Worterkennung: Zwölf erfahrenen Hörgeräteträgern wurden RIC Hörsysteme der aktuellen Starkey-Plattform Genesis AI angepasst. Sie sollten Zielsätze wiederholen, die ihnen mit einer bestimmten Lautstärke vorgetragen wurden, während aus sieben Lautsprechern rundherum Hintergrundgeräusche wie Unterhaltungen, Musik im Radio oder klapperndes Geschirr abgespielt wurden.

Der Test wurde sowohl mit deaktiviertem als auch mit eingeschaltetem Edge Modus + mit der Hörabsicht Sprachanhebung durchgeführt. Anschließend wurden die Teilnehmer anhand richtig wiederholter Schlüsselwörter bewertet. Durchschnittlich erkannten sie mit den Standardeinstellungen 62,6 Prozent der Wörter, während sie mit eingeschaltetem Edge Modus + 73,3 Prozent verstanden – also knapp 11 Prozent mehr.

Beim zweiten Versuch wollten die Wissenschaftler herausfinden, inwieweit sich die Höranstrengung durch den Edge Modus + verbessert. Dafür trafen sie die Annahme, dass die Höranstrengung umso geringer sei, je einfacher es den Probanden falle, Gesprochenes zu verstehen. Diesmal nahmen 20 schwerhörige Menschen teil, die ebenfalls Genesis AI RIC-Hörsysteme angepasst bekamen. Sie hörten Sätze des English Matrix Test, während moduliertes Hintergrundgeräusch abgespielt wurde. Die Lautstärke des modulierten Signaln blieb konstant gleich, jedoch wurde die Lautstärke der Sätze und somit der SNR variiert. Nach den Präsentationen mit je deaktiviertem und aktiviertem Edge Modus + bewerteten die Teilnehmer ihre Höranstrengung anhand einer 13-Stufen-Skala von 1 (keine Anstrengung) bis 13 (extreme Anstrengung) sowie einer 14. Option (nur Geräusche).

Die Auswertung der Fragebögen ergaben einen durchschnittlichen SNR-Vorteil von 1,13 Dezibel bei eingeschaltetem Edge Modus +. Zur Info: Ein verbesserter SNR um 1 Dezibel macht eine Verbesserung der Sprachverständlichkeit um etwa 13 Prozent aus.

Starkey Edge Modus + Studie

Der Edge Modus + ist also gewissermaßen ein Notfall-Programm für die schwierigen Hörsituationen, die es auch bei Starkeys Genesis AI-Plattform noch gibt – wenngleich diese nur selten auftreten würden, was uns unter anderem die Hörakustikerin Simone Lorenz-Halder bestätigte. Gleichzeitig erzählte sie uns aber von einem Kunden, der den Edge Modus + nutzte, um das Geräusch der Dunstabzugshaube zu unterdrücken. Endkunden können da durchaus kreativ werden – nicht zuletzt deshalb lohnt es sich, den Edge Modus + im Beratungsgespräch zu erwähnen.

Quellen:

https://cdn.mediavalet.com/usil/starkeyhearingtech/L-xSXyLLKkOLKM_v6LUPnA/HdC0F04O402ZtognLDvn6w/Original/Starkey%20Benefits%20of%20Edge%20ModePlus%20White%20Paper.pdf

https://cdn.mediavalet.com/usil/starkeyhearingtech/QC6W5p8kG0WaupdIzdEn2A/9ftBIouwqkiuuTO4qFCJ3w/Original/Edge%20Mode%2B%20Feature%20Summary.pdf

https://audiologypractices.org/departments/featured-articles?view=article&id=215:edge-mode-on-demand-processing-improves-speech-recognition-and-listening-effort-in-hearing-aid-users&catid=8:featured-articles

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