Oticon hat vor kurzem seine neue Hörgeräte-Generation Oticon Real auf den Markt gebracht. Auf den ersten Blick hat sich gar nicht so viel geändert. Doch genauere Blicke auf die Funktionen des neuen Polaris R-Chips enthüllen: Dem Hersteller geht es bei dieser Plattform nicht um eine Quantität neuer Technologien – sondern Qualität. Allein der SuddenSound Stabilizer, die neue Impulsschall-Lösung, strotzt nur so vor Komparativen gegenüber der Vorgängergeneration Oticon More: 22 Prozent weniger Höranstrengung, 70 Prozent mehr erkannte und verarbeitete plötzliche Klänge und eine bessere Schalldämpfung als Top-Produkte der Mitbewerber.
Plötzliche Geräusche sind eine Herausforderung für Hörgeräteträger
Der SuddenSound Stabilizer ist Oticons neue Lösung für plötzliche Geräusche – laute wie leise. Wie relevant eine solche Technologie für den Alltag eines Hörgeräteträgers ist, zeigt ein Test des Herstellers: An einem typischen 16-Stunden-Tag aktivierten die Oticon Real-Hörsysteme den SuddenSound Stabilizer bis zu 500.000-mal.
Dieses Ergebnis stellt eindrücklich unter Beweis, dass es eben nicht nur die vielbenannten Alltags-Beispiele sind, die Hörgeräteträger beeinträchtigen: Geschirrklappern, Türenknallen und ähnliches. Auch leise, für Normalhörende eher unscheinbare plötzliche Geräusche gehen zu Lasten von Konzentration, Wohlbefinden und Sprachverständlichkeit: Schritte, Schlüsselklappern, Telefonklingeln, quietschende Fußböden, das Tippen auf einer Tastatur, Schritte, der Blinker im Auto, das Ticken einer Uhr.
Der Effekt sei sehr deutlich, wie Leiter Audiologie von Oticon Horst Warncke im Gespräch bestätigt: „Hörsysteme mit SuddenSound Stabilizer werden als leiser empfunden, Sprache wird bei Hintergrundgeräuschen nachweislich besser verstanden, man erlebt einfach, wie angenehm Hören sein kann. Und im Vergleich mit anderen Hörgeräten ist dieser Unterschied sofort, bereits im Fachgeschäft wahrnehmbar. Je nach Geräuschempfindlichkeit kann der Hörakustiker sechs verschiedene Stufen einstellen.“
Impulsschallunterdrückung mit künstlicher Intelligenz 2.0
Die meisten Hörgeräte handhaben Impulsschall, indem sie die Verstärkung pauschal drastisch verringern. Eine andere Methode beschreibt das sogenannte Peak Clipping: Hier werden nur Geräusche oberhalb einer bestimmten Schwelle gesenkt, was jedoch zur Verzerrung des Signals führen kann. „Beide Vorgehensweisen führen zu Einbußen von Klang- und Sprachqualität. Nebenbei arbeiten Impulsschallunterdrückungen oft nicht schnell und spezifisch genug“, erklärt Warncke.
Um genau diese Nebeneffekte zu vermeiden, nutzt Oticon für die Erkennung der plötzlichen Geräusche sein Deep Neural Network (DNN), das bereits vom Vorgänger Oticon More bekannt ist. Ähnlich wie im Gehirn werden Signale durch verschiedene neuronale Schichten gefiltert. Auf diese Weise kommt man sehr schnell zu einem Ergebnis – innerhalb von Millisekunden bis Sekunden – und ist darüber hinaus flexibel: Anhand von mehr als 12 Millionen Klangszenen hat das Hörsystem gelernt, wie es in welchen Fällen reagieren muss.
Schritt für Schritt zum ausgewogenen Klang
Dass die Impulsschallunterdrückung von Oticon so zuverlässig ist, liegt also im Grunde daran, dass sie wegen des DNNs die plötzlichen Geräusche sehr schnell und sehr spezifisch erkennt. Alles weitere ist klassische Audiologie: Schnelle und langsame Pegeldetektoren schätzen ein, wann ein Geräusch potenziell plötzlich und zu verarbeiten ist.
Die positiven Pegelspitzen werden in negative Verstärkungswerte umgewandelt. Da Störgeräusche im Kontext zur Hörumgebung betrachtet werden muss, zieht das System den Eingangspegel des Mikrofons zu Rate und erkennt so abhängig vom Geräuschpegel, ob beispielsweise das Tastaturklappern nun stört oder nicht. Zum Schluss wird die Verstärkungsanpassung auf die bis zu 24 Verarbeitungskanäle aufgeteilt.
70 Prozent besser als Oticon More
„Grundlagenforschung hat bei uns einen besonders hohen Stellenwert“, sagt Warncke. Um zu überprüfen, ob der SuddenSound Stabilizer tatsächlich besser sei als bisherige Strategien, habe Oticon deshalb eine Reihe von Studien durchgeführt: Die erste Untersuchung stellte – wie bereits erwähnt – zunächst einmal fest, wie relevant eine vernünftige Lösung für plötzliche Geräusche überhaupt sei: In mehreren Versuchen wurden Oticon Real-Hörgeräte 16 Stunden lang – was laut Humes et al. (2018) einer ideale Tragedauer pro Tag entspräche – mit Klangszenen beschallt: Freizeitpark mit Musik, Rasenmähen, Sport, eine Dinnerparty oder auch Büro- und Wohnzimmersituationen zum Beispiel.
Horst Warncke resümiert: „Bis zu 500.000-mal haben unsere neuen Oticon Real Hörgeräte an einem solchen Tag den SuddenSound Stabilizer aktiviert. Damit erkannte und verarbeitete Oticon Real ganze 70 Prozent mehr plötzliche Geräusche als die Vorgängergeneration Oticon More mit ihrer Transient Noise Management-Technologie.“
SuddenSound Stabilizer – das Beste auf dem Markt?
Um einzuschätzen wie sich der SuddenSound Stabilizer mit vergleichbaren Technologien der Konkurrenz schlägt, wurden Oticon Real, Oticon More und zwei Top-Mitbewerberprodukte in einem Tonstudio mit jeweils zwanzig realen plötzlichen Geräuschen konfrontiert. Darunter: Hacken eines Messers, Zuschlagen einer Tür, Fallenlassen einer Münze auf einen Tisch, Tippgeräusche auf einer Tastatur oder auch Schritte.
Auf den jeweils höchsten einstellbaren Stufen war die Schalldämpfung von Oticon Real höher als die von Oticon More und der beiden Konkurrenten. Der Hersteller schließt daraus, dass Oticon Real deutlich besser auf die Bedürfnisse von Nutzern eingehen könne, die besonders empfindlich gegenüber plötzlichen Geräuschen seien.
22 Prozent weniger Höranstrengung als die Vorgängergeneration
Schließlich wurde Oticon Real so praxisnah wie möglich getestet – zunächst erneut im Vergleich zum Vorgänger. Ein Aufbau mit fünf Lautsprechern – in der Mitte Oticon Real beziehungsweise Oticon More – simulierte verschiedene Alltagssituationen: Von vorne wurde die Stimme einer weiblichen Sprecherin mit 70 dB Schalldruckpegel abgespielt. Im Winkel von jeweils 30 Grad wurden plötzliche Störgeräusche ausgegeben. Und aus Lautsprechern von hinten, jeweils im 110-Grad-Winkel, ertönten verschiedene Sprecher bei zunächst 60, dann 65 und schließlich 70 dB Schalldruckpegel, was je einer einfachen, mittelschweren und komplexen Hörsituation entsprechen sollte.
Oticon Mores Transient Noise Management-Funktion und Oticon Reals SuddenSound Stabilizer wurden jeweils mit den Einstellungen „Maximal“, „Mittel „oder „Aus“ getestet, mit folgendem Ergebnis: In allen Situationen, von einfach bis komplex, konnte Oticon Real eine bessere Sprachverständlichkeit bieten als Oticon More. Auf „Mittel“ war sie um 1,5 dB besser, auf „Maximal“ um 2,7 dB.
Nun wurde dieser Aufbau an 29 Oticon-Real-Hörgeräteträgern mit leichtem bis mittelschwerem Hörverlust getestet und um einen Eye Tracker erweitert, der anhand der Pupillenveränderung die Höranstrengung messen sollte. Die Aufgabe für die Teilnehmer bestand darin, Schlüsselwörter zu wiederholen, die unter dem Einfluss plötzlicher Geräusche und Hintergrundlärms zu hören waren.
Und auch hier schnitt der SuddenSound Stabilizer wieder erfolgreich ab: Während keine negative Auswirkung auf die Sprachverständlichkeit festgestellt werden konnte, wurde gleichzeitig eine um 22 Prozent geringere Höranstrengung gemessen.
Allein wegen des SuddenSound Stabilizers schlägt Oticon Real die vielgelobte Vorgängergeneration Oticon More um Längen – und das will was heißen. Eine Impulsschallunterdrückung muss schnell sein, vielseitig, feinfühlig, zielgerichtet. Und offensichtlich ist Oticon mit dem SuddenSound Stabilizer diesem Ziel einen gehörigen Schritt nähergekommen.
Zum Weiterlesen:
Oticon launcht neue Hörgerätegeneration: Oticon Real