Die Hörbrille ist ein Phänomen, das immer wieder aufkommt, aber nie so ganz Fuß im Markt zu fassen scheint. Aktuell bewahrt die „la belle“ von bruckhoff die Gattung vor dem Aussterben. Jene gehört mitsamt Marke Audia Akustik dem Hersteller Sonova und „fristet ein wenig beachtetes Nischendasein“, wie es unsere Kollegen von marktintern schön beschrieben haben. Doch eine verheißungsvolle Pressemitteilung vom 25. Juli legt nahe: Bald schon könnte die Hörbrille einen zweiten Frühling erleben – unter Verantwortung des Optik-Giganten EssilorLuxottica.
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Optik-Gigant EssilorLuxottica bringt Hörbrille auf den Markt
Essilor und Luxottica wurden 2018 fusioniert: Essilor als führender Hersteller von Brillengläsern und Luxottica als weltweit führender Hersteller von Brillenfassungen und Sonnenbrillen wurden zu einem riesigen Unternehmen kombiniert, das heute in der Optikindustrie eine dominierende Stellung einnimmt. Bekannte Marken der Gruppe sind zum Beispiel Ray Ban, Oakley oder GrandVision, zu welcher Apollo Optik gehört – und hier befindet sich die Brücke zur Akustik.
Denn Apollo mit seinen rund 900 Filialen in Deutschland – weltweit besitzt GrandVision mehr als 6000 – möchte seit einiger Zeit auch im Hörgerätemarkt Fuß zu fassen, wenngleich man dort wegen Fachkräftemangels auf dieselben Herausforderungen stößt wie alle Unternehmen, die expandieren wollen. Wichtig werden diese Standorte in Zukunft allemal sein. Laut Pressemitteilung habe EssilorLuxottica nämlich vor, die neue Hörbrille 150 Ländern zugänglich zu machen und dabei sein Einzelhandelsnetzwerk einzubeziehen.
Die Story der Hörbrille bleibt gleich
Aber wie relevant ist eine Hörbrille überhaupt? Der Gedanke ist kein neuer: Man wolle die psychologischen Barrieren umgehen, die ein Hörgerät nach wie vor mit sich bringe. „Wie wir es im Vision-Bereich getan haben, werden wir die Ersten sein, die das Stigma traditioneller Hörlösungen beseitigen und sie durch Komfort und Stil ersetzen“, lautet das durchaus ambitionierte Vorhaben des Unternehmens.
90 Prozent der über 60-Jährigen tragen eine Brille
Es lässt sich sicher darüber streiten, wie viel das eine wirklich mit dem anderen zu tun hat. Trotzdem: Laut einer Studie des Zentralverbandes der Augenoptiker und Optometristen aus dem Jahr 2019 tragen mehr als 90 Prozent der über 60-Jährigen eine Brille – statistisch gesehen also fast jeder Hörgeräteträger. Und diese Brille setzen die Träger für gewöhnlich morgens auf und erst spätabends wieder ab. Die Kombination mit einem Hörgerät spräche allein schon aus Gründen der Tragedauer für sich. Und auch unbequeme Platzprobleme hinter dem Ohr, die Brillen- und Hörgeräteträger durchaus kennen, hätten sich damit erledigt
Da fragt man sich, wieso es die Hörbrille dann noch nicht geschafft hat – vielleicht war der Markt bislang noch nicht dafür bereit oder vielleicht musste auch erst ein globaler Player wie EssilorLuxottica kommen. Die Marktmacht samt Vertriebsstrukturen hat das Unternehmen jedenfalls – und die Technologie? Hierfür wurde ein israelisches Startup eingekauft: Nuance Hearing hat eine eigene akustische Beamforming-Technologie entwickelt und beschreibt diese als „weltweit leistungsstärkste Technologie für Echtzeit-Anwendungen“.
EssilorLuxottica-Hörbrille im Test
Und es gibt sogar schon erste Testberichte: Hörgeräte- und Hearables-Experte Andrew Bellavia wurde von EssilorLuxottica eingeladen, um die Hörbrille auszuprobieren. Er selbst ist schwerhörig und war von dem Prototypen durchaus beeindruckt. Erst testete er ihn in ruhiger Umgebung, indem er zwei leise sprechenden Menschen zuhörte. Er bewertete die Worterkennung mit vollen 100 Prozent.
Den Test führte er auch in lauter Umgebung durch, bei 75 dB Umgebungslärm in einem Restaurant – normalerweise sein schlimmster Albtraum, wie er im Bericht beschreibt. Aber überraschenderweise verstand er auch dort nahezu alles. Diese Erfahrung krempelte seine Überzeugung einmal komplett um, nach welcher er den Durchbruch beim Hören eigentlich immer von einer bekannten Audiomarke erwartet hatte.
Noch ist die Hörbrille nur Schall und Rauch
Ob man der neuen Hörbrille wirklich diese große Bedeutung zuschreiben sollte, auch darüber ließe sich diskutieren. Noch sind viele Fragen offen: Dem Testbericht folgten kritische Kommentare bezüglich der vermuteten Höranstrengung, der Nachteile externer Lautsprecher oder auch Bedenken bezüglich der individuellen Anpassung.
Geschickt wäre sicher – zumindest seitens EssilorLuxottica – die Hörbrille als selbstanpassbares OTC-Gerät anzubieten. Dann stünde auch einem Verkauf in einem Apollo Optik-Geschäft kaum etwas im Wege – auch ohne spezialisiertes Hörakustik-Fachpersonal. Die Hürde wäre dann wohl noch geringer, trotz erwartbarer Defizite in der Anpassqualität. Bis zur geplanten Markteinführung im zweiten Halbjahr 2024 wissen wir bestimmt mehr.
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