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Hörgeräte desinfizieren und reinigen – Knowhow für Hörakustiker

Reinigung und Desinfektion. Zwei Basics im Alltag jedes Hörakustikers – oder? Zwei Experten der Egger Otoplastik und Labortechnik haben die Digitale Frühjahrstagung des EUHA genutzt, um dieses Thema bei Hörakustikern ein wenig aufzufrischen und vielleicht auch um das ein oder andere Neuwissen zu erweitern. Was ist überhaupt der Unterschied zwischen Reinigung und Desinfektion? Und wie führe ich Reinigung und Desinfektion richtig durch?

Hörgeräte desinfizieren und reinigen - Knowhow für Hörakustiker

Karolina Weimeir aus dem Vertrieb und Diplom-Ingenieur sowie Produktmanager Sascha Bochmann sind alte Hasen bei Egger Otoplastik und Labortechnik – und sie kennen sich mit den Themen Reinigung und Desinfektion perfekt aus. Dies stellen sie bei der Digitalen EUHA Frühjahrstagung unter Beweis, deren Vorträge noch bis 31. Mai on Demand verfügbar sind. Denn auch, wenn die Reinigung und Desinfektion der Hörsysteme und Otoplastiken zum alltäglichen Geschäft des Hörakustikers gehören – ein Auffrischen des Wissens schadet sicher nicht. Und für den ein oder anderen gibt es sicher ein Aha-Erlebnis.

Hörgeräte Reinigung Desinfektion Egger Otoplastik und Labortechnik
Karolina Weimeir und Sascha Bochmann von Egger Otoplastik und Labortechnik.

Unterschied zwischen Reinigung, Desinfektion und Sterilisierung

Sascha Bochmann startete mit ein paar Hygiene-Basics: Was ist überhaupt der Unterschied zwischen Reinigung, Desinfektion und Sterilisierung? Alle drei Methoden haben zum Ziel, eine Oberfläche von Bakterien (Staphylokokken, Salmonellen, etc.), Pilzen (Candida Albicans, Fußpilz, etc.) und Viren (Herpes, Hepatitis, Influenza, etc.) zu befreien – jedoch in jeweils unterschiedlicher Intensität.

Die Reinigung löst lediglich die obere Schmutzschicht ab, während die Desinfektion die Keime zerstört: Hier überleben nur etwa zehn von einer Million Erregern. Nur die Sterilisation, die für den Alltag im Fachgeschäft aber nicht relevant ist, ist noch wirksamer – hier überlebt je nach Wirkstufe beispielsweise nur einer von zehn Millionen Erregern. Am besten sei es also, Hörgeräte und Otoplastiken zu desinfizieren, in der Regel reiche die Reinigung jedoch aus, erklärte Sascha Bochmann.

Reinigung und Desinfektion der Hörgeräte: Diese Verfahren gibt es

Die Desinfektion mit Hitze oder Dampf, die in vielen Bereichen üblich ist, wird bei Hörgeräten und Otoplastiken nicht empfohlen. ABS-Kunststoff beispielsweise schmilzt bereits ab 105 Grad Celsius – um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen sind jedoch höhere Temperaturen nötig. Auch Dampf kann die Hörgeräte beschädigen, denn er dringt in das Gehäuseinnere ein, wo er kondensiert. Die Feuchtigkeit führt zur Korrosion der Bauteile – außerdem ist Wasser ein guter Leiter, weshalb es zu Kurzschlüssen kommen kann.

Grundsätzlich keine gute Idee ist der Einsatz von Schwermetallen, zu welchen Quecksilber oder auch Silber gehören – diese haben eine besonders schädliche Auswirkung auf die Umwelt.

Chemische Reinigungs und Desinfektions Mittel
Chemische Mittel müssen sorgfältig angewendet werden.

Um Hörgeräte, Otoplastiken, Schläuche, etc. zu reinigen, haben sich stattdessen UV-C-Geräte etabliert, welche mit ultraviolettem Licht arbeiten. Dieses besitzt eine sehr kurze Wellenlänge bei hoher Frequenz, weshalb es hochenergetisch ist – Es werden gewissermaßen Energieportionen auf die Erreger geschossen, um diese abzutöten. Häufig besitzen diese UV-C-Geräte auch eine Trockenfunktion, um die elektronischen Komponenten zu schützen.

Ebenfalls gebräuchlich sind chemische Desinfektionsverfahren. Häufig eingesetzt wird beispielsweise Isopropanol – bei den meisten Herstellern für Hörgerätereinigungsmittel haben sich jedoch quaternäre Ammoniumverbindungen als Standard etabliert. Diese Mittel gibt es in Form verschiedener Produkte: Zum Beispiel als Sprays oder Tücher, einzeln verpackt oder in einer Spenderdose. Unbedingt zu beachten ist bei den chemischen Reinigungs- und Desinfektionsmitteln jedoch die Anleitung: Die Wirkstoffe dürfen nur gezielt eingesetzt werden. Außerdem muss unbedingt mit einem trockenen Tuch nachgerieben werden, denn auch wenn die Mittel verdunsten, bleiben immer noch Reststoffe auf der Oberfläche.

Reinigungsmittel oder Desinfektionsmittel – wie erkenne ich den Unterschied?

Ein paar Hintergrundfakten: Die Medical Device Regulation (MDR) der EU klassifiziert Medizinprodukte anhand einer CE-Kennzeichnung. Klasse I beschreibt Produkte mit geringem Risiko, dazu gehören beispielsweise Rollstühle und Stützstrümpfe. Zur Klasse II a gehören Produkte mit mittlerem Risiko, die invasiv angewendet werden, jedoch nur in natürlichen Körperöffnungen – dazu gehören zum Beispiel Hörgeräte. Auch Klasse II b beschreibt Produkte mit mittlerem Risiko, die jedoch chirurgisch invasiv in den Körper eingesetzt werden, zum Beispiel Infusionspumpen. In Klasse III befinden sich invasiv getragene Medizinprodukte mit hohem Risiko: Herzkatheter oder auch Cochlea-Implantate zum Beispiel.

Reinigungsmittel befinden sich in Klasse I – zu erkennen ist das an der einfachen CE-Kennzeichnung auf dem Produkt. Desinfektionsmittel gehören hingegen zu Klasse II a: Hersteller müssen deutlich höhere Ansprüche und strengere Vorgaben erfüllen, damit sie diese Produkte auf den Markt bringen dürfen. Zu erkennen sind Klasse II a-Produkte an der CE-Kennzeichnung, gefolgt von einer vierstelligen Nummer.

Reinigungs- und Desinfektionsmittel mit Private Label – ist das möglich?

Aus diesem Grund warnen Karolina Weimeir und Sascha Bochmann von Egger Otoplastik und Labortechnik davor, die Reinigungsmittel einfach mit eigenen Etiketten zu überkleben. Die eigene Marke in den Vordergrund zu stellen sei wichtig – wer jedoch Veränderungen am Produkt vornimmt, wird in diesem Moment selbst zum Hersteller und ist in der Pflicht, das Produkt neu zu melden und zertifizieren zu lassen.

Die Empfehlung daher: Hörakustiker, die Reinigungs- und Desinfektionsmittel unter der eigenen Marke vertreiben wollen, sollten sich an die Hersteller wenden. Diese übernehmen die Zertifizierung und kümmern sich um die rechtliche Umsetzung.

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