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Low-Level-Laser: Das Tinnitus-Heilmittel?

So vielfältig und geheimnisvoll wie die Ursachen für Tinnitus, sind auch die Heilungsansätze. Einer davon ist die Low-Level-Laser-Therapie. Ein aufs Ohr gerichteter Laser solle die Selbstheilungskräfte der Haarzellen anregen, was schließlich auch den Tinnitus lindere. Warum es diese Therapieform noch nicht in den medizinischen Mainstream geschafft hat, hat Gründe: Auch wenn Hersteller anderes behaupten, konnte bislang noch nicht wissenschaftlich bewiesen werden, ob die Wirksamkeit dieser Anwendung über die des Placeboeffekts hinausgeht.

Low-Level-Laser: Das Tinnitus-Heilmittel?

Zwei Wochen lang sechs Minuten am Tag einen roten Laser ins Ohr halten – und der Tinnitus wird besser. Das verspricht die Low-Level-Laser-Therapie. Die Idee dahinter: Das Laserlicht löse photochemische Prozesse in den Haarzellen aus und habe Einfluss auf die Mitochondrien, welche die Zellen mit Energie versorgen. Und dadurch werde die Selbstheilungskraft der Zelle angeregt und Schädigungen, die zum Beispiel Tinnitus verursachen, repariert.

Tinnius-Lasertherapie: Neue Studie legt Wirksamkeit nahe

Die Studie wurde mit einem Low-Level-Laser-Prototypen mit einer Wellenlänge von 660 nm durchgeführt.
Die Studie wurde mit einem Low-Level-Laser-Prototypen mit einer Wellenlänge von 660 nm durchgeführt.
Quelle

„Die Low-Level-Laser-Therapie ist im Vergleich zu anderen derzeit angewendeten Behandlungen am effektivsten“, heißt es in einem Artikel über die kürzlich absolvierte Studie eines brasilianischen Forscherteams des Optics and Photonics Research Center (CEPOF) in São Paulo. Die Studie von 2023 vergleicht eine Reihe an Therapieansätzen miteinander, darunter: Laser-Akupunktur, die Vergabe von Flunarizin, von Ginkgo biloba und eben die Low-Level-Laser-Therapie.

100 Männer und Frauen zwischen 18 und 65 Jahren mit chronischem Tinnitus nahmen an der Studie teil. Die Patienten wurden randomisiert auf 10 Gruppen aufgeteilt, an welchen die Therapieansätze allein und in Kombination getestet wurden. Dazu absolvierten die Teilnehmer zwei Mal wöchentlich insgesamt acht Therapiesitzungen. Nach der letzten Sitzung und zwei Wochen später füllten sie Evaluationsbögen mit insgesamt 25 Fragen aus, um mentale, soziale, berufliche und physische Beeinträchtigungen durch den Tinnitus zu eruieren.

Die besten Ergebnisse wurden laut dieser Untersuchung sowohl bei der Laser-Akupunktur als auch bei der Low-Level-Laser-Stimulation gemessen – bei letzterer habe sich das Behandlungsergebnis nach längerer Einwirkzeit weiter erhöht. Klingt doch eigentlich gut – oder?

LLL-Therapieerfolg wissenschaftlich nicht belegt

Während der Therapieerfolg der Low-Level-Laser-Stimulation von diversen Seiten als unbestreitbar dargestellt wird, sieht das der aktuelle Stand der Wissenschaft anders: Zum einen sei wissenschaftlich kaum zu erklären, wie die Laserstrahlen das tief im Felsenbein des Schädels gelegene Innenohr erreichen können würden. Zum anderen hätten verschiedene Studien ergeben, dass keine Wirksamkeit bestehe, beziehungsweise dass die Wirksamkeit der Lasertherapie bei Tinnitus nicht über derkenigen eines Placebos („Scheinbehandlung“) liege.1

Die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde kommt sogar zum Schluss, dass die eingesetzten Mittel angesichts ihrer niedrigen Leistungsdichte nicht effektiver als handelsübliche Laserpointer seien.2

Zur Low-Level-Laser-Therapie bei Tinnitus liegen zwar mehrere randomisierte und kontrollierte Studien vor, die jedoch alle mit einer geringen Patientenzahl durchgeführt wurden – so auch oben genannte Studie. Manche von ihnen kommen zu positiven Ergebnissen, andere können die Wirksamkeit nicht belegen.2

Und apropos: Auch bei den getesteten Vergleichs-Therapieansätzen, also Lunarizin und Ginkgo biloba, handelt es sich um solche, deren Wirksamkeit bei Tinnitus bislang nicht belegt werden konnte.3

Tinnitus entsteht nicht im Innenohr, sondern im Gehirn

Überhaupt: Auch dass eine Behandlung des Innenohrs – egal auf welche Weise – gar nicht zur Linderung der Tinnitus-Beschwerden führen kann, wurde längst wissenschaftlich belegt: Studien an Patienten, welchen im Rahmen einer Operation der Hörnerv durchtrennt wurde, zeigten, dass dies keine oder nur eine sehr geringe Auswirkung auf die Ohrgeräusche hatte. Wie mittlerweile bekannt ist, entsteht subjektiver Tinnitus nämlich im Gehirn, zum Beispiel als Folge einer Lärmschwerhörgkeit: Das Gehirn versucht, die fehlenden Signale durch eine Neuverknüpfung der Nerven zu kompensieren, was in Form der typischen Ohrgeräusche wahrgenommen werden kann.

Der Placeboeffekt ist nicht zu unterschätzen

Auch wenn in wissenschaftlicher Hinsicht keine Wirkung von Ansätzen wie der Low-Level-Laser-Therapie zu erwarten ist, ist der Placebo-Effekt nicht zu unterschätzen: Zum Beispiel kann eine bestimmte Erwartungshaltung neuronale Aktivierungen im Gehirn auslösen, die dann auch körperliche Reaktionen bewirken. Und immerhin 35 Prozent der Menschen springen auf die Wirkung einer Placebo-Behandlung an, zu welchen auch alternativmedizinische Verfahren wie die Homöopathie gerechnet werden können.

Gerade Menschen, die von starkem Tinnitus betroffen sind, sind oft bereit alles auszuprobieren. Ob es ein Tinnitus sein muss, der im Handel zwischen mehreren hundert und tausend Euro kostet, muss jeder für sich entscheiden – aber wer weiß: Vielleicht hilft’s ja.

Zum Weiterlesen:

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Quellen:

1https://www.thieme.de/de/gesundheit/lasertherapie-tinnitus-45347.htm

2https://de.wikipedia.org/wiki/Low-Level-Lasertherapie

3https://www.arznei-telegramm.de/html/1997_08/9708083_01.html

https://luxspaibiza.com/inner-ear-home-laser-2/

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