Neue FDA-Regelungen für rezeptfreie Hörgeräte
US-Präsident Joe Biden kündigte Anfang Juli eine neue Verordnung an: Innerhalb von 120 Tagen sollen die Regeln für die längst überfällige Over-the-Counter-Hörgeräte feststehen. Biden möchte damit den Wettbewerb vorantreiben, in erster Linie aber allen US-Einwohnern eine kostengünstige Alternative zu teuren Hörgeräten bieten – Ein Vorhaben das überwiegend auf Begeisterung stößt, wenngleich die Hörgeräte-Aktien zunächst rasant sanken. Bezüglich des Fact Sheets wandte sich der Hersteller Starkey außerdem mit einem öffentlichen Brief direkt an das Weiße Haus.
OTC-Regelung der FDA längst überfällig
Bereits 2017, unter der Trump-Regierung, wurde entschieden, dass bis zum 18.8. 2020 eine Regelung für freiverkäufliche, durch die FDA zertifizierte Hörgeräte getroffen sein sollte. Durch Corona rutschte dieses Thema in der Prioritätenliste der FDA ein gutes Stück weiter nach unten. Das prangerte Biden an: Dadurch, dass es die FDA unter Trump versäumt habe, die notwendigen Regeln zu erlassen, die es ermöglichen würden, Hörgeräte rezeptfrei zu verkaufen, sei Millionen von Amerikanern kostengünstige Alternativen zu rezeptpflichtigen Hörgeräten verwehrt worden, die sich nur wenige leisten können. Deshalb forderte Biden die FDA dazu auf, die Regulierungen ohne weitere Verzögerung einzuleiten.
Hörgeräte zum Selbstanpassen
Hörgeräte seien in den USA so teuer, dass nur 14 Prozent der etwa 48 Millionen Amerikaner mit Hörverlust über welche verfügen, heißt es im Fact Sheet des Weißen Hauses. Im Durchschnitt kosten sie mehr als 5.000 US-Dollar pro Paar; Kosten, die in den meisten Fällen nicht von einer Krankenversicherung übernommen werden. Ein wesentlicher Kostenfaktor sei, dass in Zuge der Versorgung immer ein Arzt oder Spezialist miteingebunden sein muss.
Die Bekanntgabe der Anordnung rief in der Hörgerätebranche immense Reaktionen hervor. Nicht nur sanken die Aktienkurse der größten Hörgerätehersteller Sonova (-7 %), Demant A/S (-9 %) und GN (6 %) schlagartig.
OTC-Hörgeräte: Starkey reagiert
Ein Punkt sorgte für besondere Aufmerksamkeit. Im weiteren Verlauf des Fact Sheets wird nämlich betont, dass Experten darin übereinstimmen würden, dass eine medizinische Begleitung und Bewertung durch Ärzte oder Hörakustiker nicht erforderlich sei. Überhaupt diene diese Anforderung in erster Linie der bürokratischen Hürde für Unternehmen, die Hörgeräte verkaufen. Das sei auch ein Grund dafür, dass die vier größten Hörgerätehersteller 84 % des Marktes kontrollieren.
Der Hersteller Starkey reagierte darauf mit einem öffentlichen, direkt an das Weiße Haus adressierten Brief. Darin heißt es: „Selbst nachdem die FDA eine neue OTC-Hörgeräte-Kategorie finalisiert hat, ist und bleibt Starkeys Überzeugung, dass Menschen mit Hörverlust am besten mit FDA-regulierten Hörgeräten versorgt werden sollten, die von lizenzierten und geschulten Hörakustikern angepasst werden. Wie ein Fingerabdruck ist jedes Ohr einzigartig. Der Hörverlust jedes Menschen erfordert fachmännische Unterstützung, um eine ordnungsgemäße Nutzung zu gewährleisten und ihm letztendlich zu einem gesünderen Leben zu verhelfen.“
Die Aussage, dass die Betreuung durch Ärzte oder Hörakustiker für die Hörgeräteversorgung prinzipiell nicht nötig sei, könne zu Missverständnissen führen, insbesondere aktuell, wo noch keine FDA-regulierten OTC-Hörgeräte auf dem Markt sind. Die heute erhältlichen, angeblichen „OTC-Hörgeräte“ sind oft minderwertige und vor allem ungeregelte elektronische Verstärkergeräte, die bei schwerhörigen Personen unter Umständen größeren Schaden verursachen können.
Des Weiteren weist Starkey darauf hin, dass günstige Hörgeräte, die von einem Hörakustiker angepasst werden, bereits ab 900 $ erhältlich seien. Weitere Leistungen wie Ohrabdrücke, Anpassung, mehrjäjrige Pflege- und Garantiepläne und Folgeberatungen seien zudem häufig inbegriffen.
Rezeptfreie Hörgeräte ab Sommer 2022 in den USA
Von Bidens Aufforderung bis zur tatsächlichen Inkraftsetzung der OTC-Regelungen wird noch einige Zeit vergehen müssen. Laut der Hearing Industries Association (HIA) folgt auf die Veröffentlichung der OTC-Regeln wahrscheinlich eine 60-tägige Kommentarfrist mit anschließend 180-tägiger Überprüfung und Anpassung der Vorschläge durch die FDA. Nachdem alle Genehmigungen eingeholt wurden, muss die endgültige Regelung im Bundesregister veröffentlicht werden, in der Regel tritt diese dann 30 Tage nach der Veröffentlichung in Kraft. Der gesamte Prozess dauert Einschätzungen nach etwa 9-12 Monate. Das erste frei verkäufliche Hörgerät dürfte also im Sommer 2020 über den Ladentisch gehen.
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