Home | Produkte | OTC Hörgerät: Heute Braun – und morgen?
Produkte

OTC Hörgerät: Heute Braun – und morgen?

Braun vertreibt jetzt Hörgeräte zum Selbstanpassen

Die Marke Braun verbindet man vor allem mit Rasierern. Tatsächlich ist ihr Name aber auf sämtlichen Produkten der Kategorie Elektronik zu finden. Dass es nun auch Braun-Hörgeräte gibt, dürfte für die Marke selbst also keine allzu große Rolle spielen – wohl aber für die US-Hörgeräteindustrie. Angespornt durch neue Over-the-Counter-Regelungen und einen zunehmend freieren Hörgerätemarkt, springen immer mehr Marken wie Braun oder Bose auf den Zug auf. Denn relevante Babyboomer-Zielgruppe vertraut diesen Marken – und verzichtet im Zweifel auf Qualität.

OTC Hörgerät: Heute Braun – und morgen?

Marke spannender als die Hörtechnik

Braun-Hörgerät
Das Braun-Hörgerät zum Selbstanpassen: Sowohl optisch als auch technisch generisch. 

Das Braun-Hörgerät erfüllt Mindeststandards: Verstärkung bis 62 Dezibel, Rausch- und Feedbackunterdrückung, drei Hörprogramme, darüber hinaus eine App, drei Verstärkungsvoreinstellungen – der Funktionsumfang ist in etwa der des Bose SoundControl-Hörgeräts, das letztes Jahr im Mai auf den Markt kam. Nicht zufällig musste ebendieses Gerät als Vergleichsprädikat für den für die Marktzulassung essenziellen 510(k)-Antrag herhalten. Im Umkehrschluss bedeutet das: Keine wiederaufladbaren Akkus, kein Bluetooth-Streaming und somit für den Endkunden uninteressant – oder?

Einige Punkte sprechen für das Braun Clear BHA100: Wie auch das Bose SoundControl-Hörgerät wird der neue Vertreter wohl im unteren Preissegment rangieren. Die Hörgeräte sind außerdem per App selbstanpassbar, kein Besuch beim Audiologen also – und was besonders interessant ist: Die Marke Braun genießt Vertrauen beim Endkunden. Dieses eigentlich generische Produkt von der Stange wird so durchaus seine Käufer finden, während es als No-Name-Produkt sicher ein Ladenhüter bliebe.

Der Kampf um die Lizenzen

Offizielle Over-the-Counter-Regularien für Hörgeräte gibt es in den USA noch nicht. Andere Consumer-Marken könnten aber dem Braun-Beispiel folgen und ihre Hörlösungen auf Basis der Bose SoundControl-FDA-Zulassung auf den US-Markt bringen. Doch letztendlich ist es egal auf welchem Weg neue, günstige, freiverkäufliche Hörgeräte in Umlauf kommen: Die OTC-Thematik könnte Lizenzgeschäfte befeuern zu einer zunehmenden Desillusionierung der Endkunden führen. Geeignete Marken werden mit Standard-Hörtechnik kombiniert und es könnte ein interessantes Paradoxon auftreten: Je stärker die Marke, desto schwächer die Technologie.

Babyboomer-Marken für Hörtechnik

braun-audio-310
Viele kennen sie noch: Audiogeräte von Braun wie dieser Plattenspieler waren in den Siebzigern Designikonen.
Bildquelle: braunaudio.de

Braun stand in den 1960er Jahren für außergewöhnliche und wegweisende Produktsprache und war ein internationaler Vorreiter des Industriedesigns.

1967 wurde die Braun AG an die Gillette Company aufgekauft, die wiederum 2005 vom US-amerikanischen Procter & Gamble übernommen wurde. Die Internationalisierung konnte beginnen. Die Bereiche Foto, Unterhaltungselektronik und Haustechnik erlangten internationalen Ruhm. Durch die spätere Zerteilung des Unternehmens ging auch das Lizenzgeschäft los. Ein Schicksal, das viele deutsche Marken mit internationalem Renommee teilten.

2012 beispielsweise erwarb De’Lhongi die Nutzungsrechte der Marke für Kleingeräte, das Braun-Hörgerät wiederum wird vom Unternehmen Helen of Troy Limited vertrieben, das die Markenlizenz für Gesundheitsprodukte innehält.

Mit ihrem Ursprung hat die Marke Braun also nur noch wenig zu tun, wirkungsvoll ist sie aber nach wie vor – ideal, um aus technisch eher austauschbaren Produkten maximalen Gewinn herauszuholen. Man darf nicht vergessen: Die Hörgeräte-Zielgruppe der Babyboomer ist schon seit Jahrzehnten mit den Marken in Kontakt. Namen wie Braun, Bose, AEG oder Grundig stehen hier für Qualität und wecken nostalgische Gefühle.

Marke ≠ Marke

Kommt das OTC-Thema erst so richtig ins Rollen, sehen Branchenkenner jedoch jemand anderen ganz weit vorne: Phillips als Marke wirkt ebenso hochwertig wie Braun und Bose, kann im Gegensatz allerdings tatsächlich mit moderner Hörtechnologie punkten – das sicherte die Lizenzübernahme aka Kooperation mit Demant. Aber auch andere Hörgerätehersteller dürften mit ähnlichen Strategien nicht lange auf sich warten lassen: Was Sonova mit der Übernahme von Sennheiser bezwecken möchte, scheint ebenso klar zu sein wie die Absicht hinter dem ersten GN Jabra-Hörgerät mit GN ReSound-Technologie. Der gravierende Unterschied zu Braun und Bose: All jene Marken haben Hörgerätehersteller im Rücken und können echte, innovative Hörtechnik anbieten. Hier darf man definitiv die spannenderen Produkte erwarten.

Klar ist: Wer zukünftig weiterhin am Hörgerätemarkt bestehen möchte, muss einfallsreich sein – auch hierzulande. Denn was sich momentan in den weitentfernten USA entwickelt, könnte früher oder später auch bei uns eine Rolle spielen – auch wenn uns Parameter wie Krankenkassenleistungen sicher einen Puffer geben.