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EUHA Trend 2023: Bluetooth LE Audio und Auracast

Eine Neuheit schwebte über allen anderen beim diesjährigen EUHA-Kongress – und das, obwohl jene nicht einmal in der Hörgerätewelt beheimatet ist. Die Rede ist von Auracast, einem Feature des neuen Bluetooth-Standards LE Audio. Es ermöglicht, dass sich mit einer einzigen Bluetooth-Quelle unendlich viele Bluetooth-Empfänger verbinden können, also auch Hörgeräte. Anwendungsbeispiele sind Durchsagen an Bahnhöfen, stille Bildschirme an Flughäfen, Vortragssituationen – und viele, viele mehr. Auracast ist nicht nur ein Gadget. Auracast wird einen riesigen Beitrag zur Inklusion hörbeeinträchtigter Menschen leisten.

EUHA Trends 2023 Bluetooth LE Audio und Auracast

Das Ende der T-Spule?

Es gibt verschiedene Wege, Klänge kabellos in die Hörgeräte zu übertragen: Es gibt FM- und Infrarot-Anlagen, die zum Beispiel in Klassenzimmern oder Vortragssälen verwendet werden können. Populärer ist die Induktionsschleife, die in vielen Kirchen oder Museen installiert ist: Davon können Menschen profitieren, deren Hörgeräte eine Telefonspule besitzen. Und für den Einzelgebrauch nicht zu vergessen sind TV-Streamer, die den Fernsehton übertragen oder externe Mikrofone, die ausgewählte Sprecher verstärken. Das sind ziemlich viele verschiedene Möglichkeiten – doch in fünf bis zehn Jahren könnte all das passé sein. Denn dann hat sich womöglich eine einheitliche Lösung etabliert, die heute in ihren Anfängen steckt: Auracast.

So funktioniert Auracast

Bluetooth LE Audio Auracast
Auracast: Mit einer Bluetooth-Quelle können sich beliebig viele Nutzer mit kompatiblen Hörgeräten oder Kopfhörern verbinden.
Quelle

Auracast ist ein zukunftsweisendes Feature des neuen Bluetlooth-Standards LE Audio, das vieles verändert. Denn auch, wenn sich Bluetooth mittlerweile bei Hörgeräten etabliert hat und viele Nutzer diese Form des Streamings bereits zum Musikhören, Telefonieren oder Fernbedienen ihrer Geräte verwenden – bislang war nur die Verbindung zu einem einzigen Empfänger möglich.

Mit Auracast können hingegen beliebig viele Hörgeräte, Kopfhörer, Lautsprecher etc. angesteuert werden. Benötigt wird lediglich ein Auracast Transmitter, der beispielsweise an eine Soundanlage oder einen Laptop angeschlossen wird. Der Transmitter ist vergleichbar mit einem W-Lan-Router, über welchen sich die Nutzer innerhalb eines bestimmten Radius verbinden können – und überhaupt: Um Auracast zu verbildlichen, wird häufig die Analogie zu W-Lan verwendet. Auracast sei wie W-Lan, nur dass es kein Internet bereitstelle, sondern Audiosignale, bestätigte auch Bluetooths Marketing-Chef Chuck Sabin.

Nutzerseitig sieht das dann so aus: Möchte man sich mit einem Auracast-Stream verbinden, wählt man diesen einfach in den Einstellungen des Smartphones aus. Alternativ gelingt das auch mithilfe eines entsprechenden QR-Codes, der im Vorfeld zur Verfügung gestellt wird. Theoretisch ist die Verbindung mit einem Auracast-Stream sogar ohne Smartphone möglich, durch Drücken eines entsprechend programmierten Taster am Hörgerät – allerdings könnte es je nach Anzahl der Streams im Umkreis mühsam sein, den richtigen zu finden.

Bluetooth und Hörgeräte – eine lange Historie

Daran, dass Auracast überhaupt ermöglicht werden konnte, ist die Hörgeräteindustrie übrigens nicht ganz unbeteiligt. 2013 startete die European Hearing Instrument Manufacturers Association (EHIMA) die Kooperation mit Bluetooth SIG, um eine universelle, herstellerunabhängige Lösung für direktes Audio-Streaming zu Hörgeräten zu entwickeln: Bluetooth LE (für Low Energy). Deren Weiterentwicklung ist nun Bluetooth LE Audio und wurde auf der CES 2020 erstmals vorgestellt.

Bessere Klanqualität durch Bluetooth LE Audio

Manfred Lutzky Auracast Bluetooth LE Audio Fraunhofer IIS
Manfred Lutzky ist Head of Audio for Communications am Fraunhofer IIS, welches den neuen Bluetooth-Standard maßgeblich mitentwickelt hat.

Neben Auracast, das erstmals 2022 Erwähnung fand, dürfen Nutzer von LE Audio eine drastisch verbesserte Klangqualität genießen: der neue Low Complexity Communications Codec (LC3) zeichnet sich durch eine besonders hohe Sprach- und Audioqualität aus, bei gleichzeitig geringer Latenzzeit, geringer Komplexität und geringerem Speicherbedarf.

Entwickelt wurde er vom Fraunhofer IIS. Head of Audio for Communications Manfred Lutzky sagte dazu: „Umfassende Hörtests haben gezeigt, dass LC3 gegenüber dem in Classic Audio (neue Bezeichnung für Bluetooth LE, Anm. der Redaktion) enthaltenen SBC-Codec eine Verbesserung der Audioqualität bietet, selbst bei einer um 50 Prozent niedrigeren Bitrate. Entwickler können diese Energieeinsparungen nutzen, um Produkte zu entwickeln, die eine längere Akkulaufzeit bieten oder ihre Größe durch die Verwendung kleinerer Akkus zu reduzieren.“

Auracast auf dem EUHA-Kongress 2023

Signia IX ReSound Nexia Auracast Bluetooth LE Audio

Und genau das ließ sich am diesjährigen EUHA-Kongress bereits beobachten: Der Entwicklung des Im-Ohr-Hörgeräts Silk Charge&Go IX von Signia dürfte die neue, energiesparende Bluetooth-Lösung in die Karten gespielt haben: Trotz seiner geringen Größe konnte es mit wiederaufladbaren Akkus ausgestattet werden. Zwar sind die LE Audio-Funktionen dort noch nicht nutzbar – allerdings sind alle Modelle der neugelaunchten IX-Plattform „LE Audio-ready“ und Auracast somit später per Update aktivierbar.

Etwas weiter ist die zum EUHA-Kongress präsentierte Plattform Nexia von ReSound: Bluetooth LE Audio ist mit diesen Geräten bereits nutzbar. Und passend dazu stellte der Hersteller den TVStreamer+ vor, der ebenfalls LE Audio nutzt und dank Auracast mit bis zu 50 kompatiblen Hörgeräte oder Kopfhörern verbunden werden kann – egal welchen Herstellers. Und ReSounds Vorgängerplattform Omnia soll im Laufe des folgenden Jahres ein Update erhalten, das sie ebenfalls Auracast-fähig macht.

Ph. D. Rob Drullman Auracast Bluetooth LE Audio
Ph. D. Rob Drullman hielt beim EUHA-Kongress einen Vortrag über Auracast.

Wann gibt es Auracast?

Bis Bluetooth LE Audio beziehungsweise Auracast wirklich in der breiten Öffentlichkeit angekommen ist, dürfte es aber noch dauern: fünf bis zehn Jahre, schätzt Ph. D. Rob Drullman, aus Amersfoort, Niederlande, der beim EUHA-Kongress einen Vortrag über Auracast hielt. Schließlich müssen sich Bahnhöfe, Flughäfen, Schulen, Universitäten und Co. erst auf die neue Technologie einstellen. Und auch in Endgeräten wie Smartphones, Fernsehern oder Laptops wird Bluetooth LE Audio erst mit den nachfolgenden Generationen allmählich etabliert – denn abwärtskompatibel wird der neue Standard voraussichtlich nicht sein.

Bis dahin werde Auracast definitiv mit den bekannten Technologien koexistieren, sagte Drullman. Vielleicht sogar länger: Hörgeräteträger könnten dann entscheiden, welche Variante sie wählen – und die Telespule und Auracast tragen dann gemeinsam zu einer inklusiveren Welt bei.

Quellen:

https://www.bluetooth.com/auracast/

https://www.electronicdesign.com/technologies/embedded/article/21122504/whats-the-difference-between-bluetooth-le-and-bluetooth-le-audio

https://www.iis.fraunhofer.de/de/ff/amm/kommunikation/lc3.html