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EUHA Trend 2023: Gespräche bei Störlärm

Während beim diesjährigen EUHA-Kongress Auracast und künstliche Intelligenz alle Aufmerksamkeit auf sich zogen, ist uns ein Trend aufgefallen, der gar nicht so sehr im Fokus stand: Viele Hersteller besinnen sich aktuell zurück auf reinaudiologische Herausforderungen. Bei all den Lifestyle-Features und neuen Designs handelt es sich schließlich noch immer um Hörgeräte. Und diese tragen Menschen aus einem bestimmten Grund: Sie wollen andere wieder besser verstehen. Und vor allem dann, wenn es im Hintergrund laut zugeht, kommen auch moderne Hörgeräte noch an ihre Grenzen. Zum EUHA-Kongress 2023 boten einige Hersteller genau hierfür Lösungen an.

EUHA Trend 2023: Sprache bei Störlärm

Mehrere Gesprächspartner gleichzeitig erfassen mit Signia IX

Kein Hersteller hat seine „Gespräche bei Störlärm“-Lösung beim diesjährigen EUHA-Kongress prominenter präsentiert: Wer die Eingangshalle der Nürnberger Messe betrat, und seinen Blick schweifen ließ, erblickte auf einer rot beleuchteten Zwischenebene ein Signia Logo. Diesem Hinweis folgend landete man schließlich bei einer Sound-Demo, welche die neue Multi-Beamforming-Technologie eindrücklich erleben ließ.

Diese Technologie ist das Herzstück der vor kurzem gelaunchten Hörgeräteplattform Integrated Xperience, oder kurz: IX. Um bei Hintergrundgeräuschen Sprachklarheit zu bewahren, können IX-Hörsysteme nun Richtkeulen auf mehrere Gesprächspartner gleichzeitig legen. Und diese bleiben auch dann anvisiert, wenn sie gerade nicht sprechen.

Aber wie erkennt das Hörsystem überhaupt, ob man Teil eines Gesprächs ist? Wie man herausgefunden hat, reagieren Menschen nach etwa 200 Millisekunden auf das zuvor Gesagte. Die IX-Technologie misst diesen zeitlichen Versatz. Und damit das Hörsystem auch wirklich nur das Gespräch verstärkt, an dem man selbst beteiligt ist, nutzt es die aus vorherigen Generationen bekannte Funktion Own Voice Processing, welche die eigene Stimme natürlich klingen lässt. Die Detektion der eigenen Stimme wird nun nämlich verwendet, um einen selbst in zeitliche Relation zu den anderen Sprechern zu setzen.

Sind alle Richtkegel gesetzt, kommt schließlich die Dynamische Konversationsanhebung zum Einsatz – für den sogenannten Lehn-Effekt. Jene simuliert ein Hinlehnen zum Gesprächspartner, indem sie deren Lautstärke noch einmal um drei Dezibel anhebt.

All das geschieht 1000-mal pro Sekunde, was die audiologischen Trainer Janina Greogori und Björn Bretschneider bei der Sound Demo vorführten: Über Kopfhörer konnte man selbst die Multi-Beamforming-Technologie erleben und hören – anhand einer Visualisierung auch beobachten – welcher Gesprächspartner gerade erfasst war, während die beiden Trainer mit- und durcheinander sprachen.

ReSound Nexia und „Hören im Lärm“

Ein „erstklassiges Hör-im-Lärm-Erlebnis“ verspricht auch ReSound mit der neuen Nexia-Plattform: Das neue Programm „Hören im Lärm“ kann vom Hörakustiker über die Anpasssoftware so eingerichtet werden, dass die Nutzer es über die ReSound Smart 3DTM App aufrufen können. Für das optimale Sprachverstehen im Störlärm werden die beiden Technologien: Front Focus und 360 All Around kombiniert: Ein binauraler 4-Mikrofon-Beamformer fokussiert den Gesprächspartner, während omnidirektionales Hören Sprachsignale aus der Umgebung beibehält.

Sprachverstehen im Lärm: Unitron legt harte Bandagen an

Unitron brachte dieses Jahr seine Vivante-Hörgeräteplattform auf den Markt und präsentierte sie auf dem EUHA-Kongress – und auch die hat sich dem Verstehen von Sprache in lauter Umgebung verschrieben. Nicht nur hat der Hersteller eine Lösung für das oft beschriebene Auto-Problem gefunden: Das manuell wählbare Programm „360 Grad Sprachverstehen im Auto“ wurde für die schwierige Geräuschkulisse entwickelt, die während Autofahrten vorherrscht, und bildet zusätzlich zur Störgeräuschreduktion automatisch einen Richtkegel auf die Person, die gerade spricht – egal ob sie neben, hinter oder vor einem sitzt.

Zudem hat Unitron eine drastische Methode für Situationen mit besonders lautem Umgebungslärm entwickelt. Der Hyperfocus stellt den engsten Sprachfokus dar, den der Hersteller je im Portfolio hatte – und zwar mithilfe eines Tricks: Die zwei Mikrofone pro Seite übertragen ihr Richtsignal auf die jeweils andere Seite. Diese beiden Signale werden addiert, wodurch der Eindruck eines sehr engen Richtkegels entsteht. So bleibt die Sprache von vorne deutlich, während Geräusche von der Seite und besonders von hinten reduziert werden.

Aktiviert wird dieser Hyperfocus, sobald das Vivante-Hörsystem die neue, achte Hörumgebung „Gespräch in lauter Umgebung“ erkennt. Dazu muss ein lauter Geräuschpegel herrschen, die Sprache muss von vorne kommen und der Nutzer darf sich nicht durch den Raum bewegen.

Nicht ohne Grund befanden sich „Gespräche in großen Gruppen“ und Situationen „in lauten Umgebungen“ abermals unter dem Top-Hörsituationen der EuroTrak-Umfrage von 2022. Und so verrückt es klingt, dass trotz der Flut an Innovationen der letzten Jahre, derart grundlegende Hörprobleme weiterhin solche zu bleiben scheinen – zumindest bis jetzt – zeigt das doch eins: Es wird in der Hörgerätebranche eben nicht langweilig. Es wird immer etwas zu tun geben, um dem einen übergeordneten Ziel näher zu kommen: schwerhörigen Menschen ein normales Leben zu ermöglichen.