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94. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde in Leipzig

Das Jahrestreffen der Ärztinnen und Ärzte der deutschen HNO-Kliniken fand in den vergangenen Tagen (17. – 20. Mai) in Leipzig statt. Die 94. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. (DGHNO-KHC) stand unter dem Motto „Multisensorik und Organ-Crosstalk – HNO-Heilkunde als interdisziplinärer Partner“. Die Veranstaltung im Leipziger Congress Center zählte mehr als 2.400 Fachbesucher. In Vorträgen und Arbeitsgruppen widmeten sich diese auch vielen Fragen der Hörrehabilitation und diskutierten neueste Forschungsergebnisse.

94. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde in Leipzig

„Crosstalks“, also Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Sinnesorganen, waren ein zentrales Thema des aktuellen Kongresses. Betrachtet wurde etwa das Zusammenspiel von Hör- und Gleichgewichtssinn. Führt schlechtes Hören zu schlechterer körperlicher Balance? Und wenn ja, inwieweit kann eine Hörversorgung dem entgegenwirken?

Zahlreiche Studien vergangener Jahre sprechen für eine Wechselwirkung der beiden Organe, so Dr. med. Ingmar Seiwerth (Halle) auf der Pressekonferenz zum Kongress. Zudem lasse bereits die anatomische Nähe von Hör- und Gleichgewichtssystem vermuten, dass beide auch funktionell interagieren. Auch dass ein zunehmender Hörverlust im Alter mit steigendem Sturzrisiko einhergeht, könne in diese Richtung gedeutet werden.

Ein Blick in der Congress Center
Ein Blick in der Congress Center

Einheitliche Aussagen liefern die Studien nach Einschätzung des Referenten bislang jedoch nicht; die Ergebnisse seien oft nicht vergleichbar. Es deutet jedoch vieles darauf hin, dass sich gutes Hören stabilisierend auswirkt. So hätten Probanden mit Gleichgewichtsstörung in mehreren Studien von einem auditorischen Input profitiert. In anderen Versuchen wurden gesunden Probanden akustische Signale aus einem im Raum platzierten Lautsprecher präsentiert. Die Messungen legten nahe, dass Höreindrücke wie auditorische Landmarken wirken und die Orientierung im Raum erleichtern können; ein Effekt, der bei der Präsentation über Kopfhörer wegfällt. Bei einigen Studien war der Grad der Stabilisierung umso höher, je reichhaltiger das auditorische Umfeld gestaltet war…

Vieles deutet somit darauf hin, dass die Versorgung mit Hörgeräten auch das körperliche Gleichgewicht ihrer Träger stärkt und etwa vor Stürzen schützt. Doch für gesicherte Erkenntnisse sind laut DGHNO-KHC weitere Forschungsarbeiten nötig.

Qualitätssicherung beim CI – Zertifizierung und CI-Register

Ebenfalls Thema beim diesjährigen HNO-Kongress: die Qualität der zukünftigen Versorgung mit Cochlea-Implantaten, für die sich die DGHNO-KHC schon lange stark macht. Erklärtes Ziel: durch einheitliche hohe Standards bei der CI-Therapie von Kindern und Erwachsenen optimale Ergebnisse erzielen.

Beim Kongress informierte Prof. Dr. med. Timo Stöver (Frankfurt) über das in den letzten Jahren geschaffene System der Qualitätssicherung. Auf Basis der neuen AWMF-Leitlinie (Oktober 2020) und dem dazugehörigen Weißbuch besteht seit Herbst 2021 ein Zertifizierungssystem. Kliniken können die Anerkennung als „Zertifizierte CI-versorgende Einrichtungen“ beantragen und nach entsprechender unabhängiger Prüfung das Zertifikat erhalten. Von schätzungsweise rund 100 CI-versorgenden deutschen Kliniken haben seit Herbst 2021 53 Kliniken den Antrag gestellt; 50 von ihnen wurden bislang zertifiziert.

Ein weiterer Schritt zur Qualitätssicherung, über den Prof. Stöver informierte, ist der erfolgreiche Start des nationalen Cochlea-Implantat-Registers. In diesem sollen Behandlungsdaten möglichst vieler CI-Trägerinnen und -Träger gesammelt und zugänglich gemacht werden, um so die Forschung voranzutreiben sowie die Standards der Versorgung in Zukunft weiterzuentwickeln.

Nach kurzer Zeit hat das deutschlandweite CI-Register (DCIR) bereits viele Unterstützer: Seit der Inbetriebnahme im Januar 2022 haben sich 75 Kliniken zu einer Teilnahme bereiterklärt. Nach 15 Monaten verfügt das DCIR heute schon über Daten von über 2.500 Cochlea-Implantaten sowie von mehr als 2.000 Patientinnen und Patienten.

Präsentation der Hörimplantat Hersteller: Neues von AB, Cochlear und MED-EL

Cochlear Symposium „Qualitätsmanagement in der CI-Versorgung: Produkte – Prognose – Performance“ am zweiten Kongresstag
Foto: Cochlear
Cochlear Symposium „Qualitätsmanagement in der CI-Versorgung: Produkte – Prognose – Performance“ am zweiten Kongresstag
Foto: Cochlear

Mit Advanced Bionics, Cochlear und MED-EL stellten in Leipzig auch die drei führenden Hersteller von Hörimplantaten ihre aktuellen Neuheiten vor – im Rahmen der kongressbegleitenden Fachausstellung sowie auf Industriesymposien. Hersteller Oticon Medical war in Leipzig nicht präsent.

Neuheit bei Advanced Bionics war das Active Insertion Monitoring (AIM), das für die intra- und postoperative klinische Anwendung durch Ärzte und Audiologen konzipiert ist. Laut AB ermöglicht AIM Echtzeit-Monitoring während der CI-Operation, eine automatische objektive Audiometrie auf Knopfdruck sowie einen einfachen und effizienten Austausch von Daten. Darüber hinaus informierte AB über das aktuelle Portfolio, etwa über das Naida CI M für Erwachsene sowie das Sky CI M für Kinder.

Zu den Messethemen von Cochlear gehörten insbesondere der CI-Soundprozessor Cochlear Nucleus 8, das Cochlea-Implantat Cochlear Nucleus Profile Plus mit Slim Modiolar Elektrode (CI632) sowie das smarte intraoperative Tool Cochlear Nucleus SmartNav. Mit SmartNav erweitert Cochlear sein Angebot für Connected Care; bislang waren der Remote Check und Remote Assist vorgestellt worden. Diese ermöglichen Trägern des Nucleus CI, über Mobiltelefon von jedem beliebigen Ort aus den Service von Audiologen bzw. Hörakustiker zu erhalten. Nun ergänzt der Weltmarktführer mit SmartNav ein intraoperatives Element.

Hersteller MED-EL präsentierte zum einen das neue OTOPLAN 4: patientenspezifische Messdaten und 3D-Visualisierungen ermöglichten eine maßgeschneiderte Erstanpassung und machten diese noch einfacher und schneller. Weiteres Thema am Stand war die BONEBRIDGE für Kinder; für das neueste Implantat BCI 602 wurde auf eine Zuverlässigkeit von 99,77 Prozent nach 3 Jahren verwiesen. Zudem warb MED-EL für das Musikhören mit Cochlea-Implantat. Thema am Rande war auch das vollständig implantierbare MED-EL TICI; dessen Markteinführung ist jedoch in absehbarer Zeit noch nicht zu erwarten.

Martin Schaarschmidt

Zum Weiterlesen: 

Neues Buch „Hör-Pioniere“ über die Anfänge des Cochlea Implantats

uCon, die zweite: Im Zeichen des Generationenwandels und Vivante

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