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Markt im Wandel: Telemedizin

Der Markt wandelt sich. Auch die Gesundheitsbranche stoppt nicht vor der zunehmenden Digitalisierung. Wieso auch? Digitale Lösungen können vieles vereinfachen und effizienter machen. Telemedizin ermöglicht medizinische Behandlung, ohne dass Patient und Arzt zur selben Zeit im selben Raum sein müssen. Das kann nicht nur für Länder wie die USA von Nutzen sein, wo in den abgeschiedenen Gegenden eine Videosprechstunde oftmals der schnellste, der einzige Weg für eine Behandlung sein kann. Auch in Deutschland hat Telemedizin seine Vorteile. Je schneller, je effizienter, je besser verfügbar medizinische Betreuung ist, desto mehr Leuten kann geholfen werden.

Telemedizin-Teaser

Telemedizin-Boom durch Corona

eHealth Monitor 2020
Der eHealth Monitor 2020 gibt spannende Einblicke in die eHealth-Welt
© McKinsey

Das Gesetz, das die Rahmenbedingungen dafür geschaffen hat, wurde bereits 2018 verabschiedet. Wirklich genutzt hat das Angebot dann aber kaum jemand. Doch dann kam die Pandemie: Von Mai auf Juli 2020 stieg die Zahl der Patienten, die schon einmal eine Online-Sprechstunde in Anspruch genommen hatten, von 8 auf 13 Prozent – nachvollziehbar, angesichts Virus und Lockdowns.

Doch auch nach Maßnahmenlockerungen blieben die Zahlen auf höherem Niveau als zuvor. Durch Corona erkannten sowohl Ärzte als auch Patienten hohen praktischen Nutzen, den Telemedizin mit sich bringt.

52% der befragten niedergelassenen Ärzte boten im Frühjahr 2020 Videosprechstunden an (vs. 2% in 2017, Abbildung 1, links). Der in der Forschung am häufigsten nachgewiesene positive Nutzeneffekt von eHealth-Anwendungen ist ein verbesserter Gesundheitsstatus, andere Nutzeneffekte wie höhere Kosteneffizienz sowie Zeitersparnis folgen mit weitem Abstand (Abbildung 2, rechts)

Schätzungen der KBV Kassenärztliche Bundesvereinigung im April 2020 zufolge nutzen derzeit rund 25.000 Arztpraxen die Videosprechstunde und damit etwa ein Viertel aller Praxen. Das sei ein Anstieg von rund 1.370 Prozent. Noch bis Ende Februar dieses Jahres hätten lediglich 1.700 Praxen Videosprechstunden angeboten.

Optimierte Mensch-zu-Mensch-Interaktion

Unter Telemedizin fällt eine Vielzahl an Anwendungsmöglichkeiten, seien es Videosprechstunden, Patientenüberwachung oder Ferndiagnosen. Insgesamt geht es dabei jedoch keineswegs darum, die Mensch-zu-Mensch-Interaktion zu ersetzen. Viel eher kann die gesparte Zeit der Behandlungen, die nicht unbedingt persönlich stattfinden müssen denjenigen Fällen zugute kommen, die eine persönliche Behandlung unbedingt erfordern. Das findet Anklang – sowohl bei ÄrztInnen als auch PatientInnen.

Ein Beispiel aus der Praxis: Über die Schweizer Teledermatologie-Plattform Onlinedoctor können PatientInnen ihre Hautprobleme fotografieren, die Bilder einsenden und innerhalb von 48 Stunden professionell beurteilen lassen. Über 600 DermatologInnen arbeiten mittlerweile mit der Plattform und auch patientenseitig erweist sie sich mehr als nützlich.

Denn laut Angaben des Unternehmens sei so in 85 Prozent der Fälle kein persönlicher Arztbesuch mehr nötigt. Ähnlich guten Zuspruch erhält auch die weniger spezifische Teleclinic-App: Die Plattform wirbt außerdem damit, dass Ärzte mithilfe von Telemedizinn ein Mehr von bis zu 3.000 Euro monatlich verdienen können. Nun, ob das die  ausschlaggebende Motivation sein soll, sei mal dahingestellt. Im Fokus stehen vor allem die Bedürfnisse der Kunden, die sich durch die technologische Entwicklung der letzten Jahre durchaus verändert hat.

Und in der Hörakustik?

Teleaudiologie-Signia-Phonak
Über die Signia App (links) oder die myPhonak App (rechts) können HörakustierInnen per Videochat auf die Anpasswünsche der PatientInnen eingehen.

Was bei Ärzten funktioniert, funktioniert auch in der Hörakustik. Bereits Ende 2016 brachte Signia TeleCare HörakustikerInnen erstmals virtuell zum Kunden. Kurz darauf folgten ReSound und Phonak mit ähnlichen Lösungen. Um immer mehr Kunden in den Genuss der Fernanpassung kommen zu lassen, bietet Signia mittlerweile eine hybride Fortbildung zum Hörakustiker für teleaudiologische Anwendungen an.

Auch Teleaudiologie soll den persönlichen Kontakt zwischen HörakustikerIn und KundIn nicht ersetzen. Die erste Anpassung muss persönlich stattfinden, weitere digital. Und das ergibt für bestimmte Kundengruppen durchaus Sinn – KundInnen sparen sich die Anfahrt, HörakustikerInnen können die Anpassung trotzdem wie gewohnt vornehmen. Am Ende ist der Kunde zufriedener bei weniger Zeitaufwand für beide.

In der wissenschaftlichen Literatur wurde aktuell festgestellt, dass bezogen auf die Hörakustik eine Kombination beider Varianten die größtmögliche Wahrnehmung der Servicequalität gewährleistet1.

Die medizinische Zukunft ist digital

Ob Telemedizin oder Teleaudiologie: Der Trend geht in Richtung Digitalität. Corona hat den Handlungsbedarf für flächendeckendes Digitalangebot in der Gesundheitsbranche aufgedeckt und vielversprechende Lösungen zum Vorschein gebracht. Experten wie Leonie Sommer, Geschäftsführerin der Teledermatologie-Plattform Onlinedoctor Deutschland, sind sich jedoch einig: „Das Potenzial der digitalen Medizin ist noch lange nicht ausgeschöpft.“

Zum Weiterlesen:

Signia Fortbildung zum Hörakustiker für teleaudiologische Anwendungen

1 Florian Ross, Atilla Wohllebe, Evaluating the Service Quality of Mobile Health Versus Clinic Based Intervention in Hearing Healthcare. A Comparative Study, 2021

Bildquellen:

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